„Das wichtigste Instrument der Akquisition“, „Arbeit in einer geschützten Werkstätte, wo ungestört von äußeren Einflüssen nachgedacht, ausprobiert und entwickelt werden kann“- aber auch „ökonomischer Wahnsinn“, „Vergeudung von Kreativität und Energie“ - das Thema Architekturwettbewerbe ist immer für heiße Diskussionen gut.
Für den Bauherrn liegt der Vorteil eines Wettbewerbs auf der Hand: Der Wettstreit der Ideen und Konzepte gibt ihm, wenn nicht die Garantie, so doch die Chance, einen baukulturell und qualitativ hochwertigen sowie konstruktiv und damit kostenmäßig optimierten Entwurf zu bekommen. Im Idealfall hält die Kostenschätzung der Entwurfsphase dann auch dem Realitätscheck stand. Oder der Bauherr kann Architekten und Baufirmen zumindest auf diese Summe festnageln.
Für Architekturschaffende ist die Sache etwas diffiziler: Sie investieren Zeit, Geld, Hirnschmalz und Herzblut – und das alles als Vorfinanzierung für ein Projekt, dessen Chance auf Beauftragung mit steigender Anzahl der Mitbewerber sinkt. Emotion sowie die Entwicklung hoher Sensibilität in der Wettbewerbsbearbeitung sei aber geradezu eine Voraussetzung für herausragende Leistungen, meint Hans Lechner, Inhaber eines Ingenieur- und
Architekturbüros und Wettbewerbsbetreuer. Mehr als 50 Wettbewerbe hat sein Büro in Wien betreut und dabei nach eigenen Angaben versucht, die richtigen Randbedingungen zu inszenieren, die Gegensätze zwischen den unterschiedlichen Interessen auszugleichen und Architekturqualität zu fordern.
Emotion muss sein
Sein Fazit: Architekten leiden am Wettbewerb, Emotion und Leidenschaft müssen sein, ein professionell-abgeklärtes Verhältnis der Architekten wäre seiner Meinung nach für eine absolute Qualitätsorientierung im Wettbewerb
kontraproduktiv. Wettbewerbe leben, so Lechner, von der Bereitschaft der Architekturschaffenden, sich nicht bloß daran zu beteiligen, was ihnen oft die Unterstellung einbringt, sich auf Kosten des Bauherrn selbst verwirklichen zu wollen.
Doch auch für Bauherren stellt sich die Durchführung eines Wettbewerbs nicht immer ganz so einfach dar, z umindest bei Bauvorhaben, die aufgrund ihrer Größe oder öffentlicher Finanzierung europäischem oder österreichischem Vergaberecht unterliegen. Anstatt selbst darüber bestimmen zu können, welches Projekt realisiert wird, müssen sie die Entscheidung darüber an eine – zum Teil wieder aus Architekten bestehende – Jury abtreten. Für Hans Lechner ist deshalb die Schaffung einer Balance zwischen den Bedürfnissen der Bauherren und der teilnehmenden oder teilnahmeinteressierten Architekten die wichtigste Aufgabe eines Verfahrensorganisators.
Zusammenprall der Kulturen
„Wir haben oft erlebt, dass die Kommunikation zwischen Bauherr und Architekt wie ein Zusammenprall der Kulturen ausgesehen hat“, bestätigt Herbert Zitter vom Bauherrenberater M.O.O.CON, ehemals Bene Consulting, die Notwendigkeit eines solchen Ausgleichs. Besonders dann, wenn sich Auftraggeber nur temporär in der Rolle eines Bauherrn befinden, weil Bauen nicht zu ihrem Kerngeschäft gehört, herrsche oft Unklarheit, was Architektur leisten könne, so Zitter. Aber: „Wir wissen, dass Architektur Identität stiftet und Wandel in Unternehmen ermöglicht.“ Die Durchführung von Wettbewerben kann ein Weg sein, um die bestmöglichen Entwürfe zu bekommen, ist sich der Consulter und Wettbewerbsbetreuer sicher.
Dass sich Wettbewerbsverfahren für den Bauherrn auch finanziell rechnen, macht Zitter an einem Beispiel deutlich: Zwei unterschiedliche Entwürfe für eine Niederlassung eines Vertriebs- und Serviceteams brachten nicht nur beträchtliche Unterschiede in Stil und funktionaler Anordnung, sondern vor allem einen Kostenunterschied von 25 Prozent. Damit war nicht nur der finanzielle Aufwand für die Abwicklung des Wettbewerbs locker eingespielt, sondern es eröffnete sich die Option, einen Teil des Baugrunds anders zu nutzen.
Architekten und Wettbewerbsorganisatoren müssen dem Bauherrn klar machen, dass es nicht alleine der Planer ist, der über die Qualität eines Projekts entscheidet: Diese Qualität muss vom Bauherrn bestellt werden, und
das heißt, die Aufgabenstellung muss bereits im Wettbewerb eindeutig formuliert werden. Bestellqualität sei ebenso wichtig wie Prozessqualität und schließlich die Sicherung dieser Qualität, so Zitter: „Um nachhaltige Immobilien
entwickeln zu können, muss die Anforderung des Bauherrn messbar gemacht werden. Die Frage ist, wie ein Architekt sich in diesem Prozess positioniert!“
Innovation und Kommunikation
Wie also geht ein solcher Architekt mit dem Thema Wettbewerbe um? Für Roman Delugan von Delugan Meissl stehen bei dieser Diskussion zwei Begriffe im Zentrum: Innovation und Kommunikation. „Kommunikation ist das wichtigste Element, wenn man hochwertige Architektur realisieren will“, so Delugan. Der Architekt, der mit seinem Büro bisher an rund 170 Wettbewerben
teilgenommen hat, weiß aus Erfahrung, wie wichtig genaue inhaltliche Vorgaben sind, damit Planer zu einer Teilnahme motiviert werden können. „Auslobungsbüros“ hätten die Chance, sich in dem immer komplexer werdenden Wettbewerbs- und Planungsprozess als Mediator zu positionieren und eine Kommunikation mit dem Bauherrn aufzubauen, meint Delugan.
Wie wichtig Kommunikation ist, weiß auch Hans Lechner.
„In der Vorbereitungsphase eines Wettbewerbs treffen zwei Sphären aufeinander, die einander nicht immer verstehen“, beschreibt er in seinem Buch die manchmal problematische Beziehung zwischen der Welt der Bauherren und der der Architekten. Gibt es dieses gegenseitige Verständnis nicht, gibt es entweder überhaupt keinen Wettbewerb oder keine qualifizierten Teilnehmer. Deshalb müsse ein Verfahrensorganisator noch vor dem Start eines Wettbewerbs die entscheidende Frage beantworten, ob der Bauherr und seine Bauaufgabe wettbewerbstauglich sind und dann dem Auftraggeber ein positives Verständnis des Wettbewerbes und eine realistische Erwartungshaltung vermitteln, meint Lechner. Einen „Wettbewerb mit Augenzwinkern“ dürfe es nicht geben, warnt er vor Verfahren, die ein Bauherr nicht ergebnisoffen, sondern mit bestimmten Präferenzen in Angriff nimmt. Der Entstehungsprozess eines Projekts sei für das langfristig
sichtbare Ergebnis entscheidend, so Lechner.
Auch wenn es keinen messbaren Zusammenhang zwischen Prozess- und Ergebnisqualität gebe, so sei unbestreitbar, dass ein guter Entstehungsprozess zu besseren Ergebnissen führe. Das bestätigt auch Roman Delugan und appelliert an die Bauherren, sich einen Wettbewerb
auch etwas kosten zu lassen: „Wenn Geld da ist, können Experten beigezogen werden. Und das bringt dem Bauherrn letztendlich Mehrwert im Ergebnis“, ist der Architekt überzeugt.
Volkswirtschaftlicher Wahnsinn
Zugleich orten viele Architekten eine Inflation an Wettbewerben. Insbesondere bei kleinen Bauaufgaben dürfe mit Wettbewerben nicht übertrieben werden, meint Romand Delugan und steht damit im Widerspruch zur IG Architektur, die sich dafür stark macht, auch im privaten Bereich, bei Einfamilienhäusern etwa, kleine geladene Wettbewerbe zu veranstalten. Delugan sieht das anders: „Wenn man einen guten Arzt kennt, sucht man den auch immer wieder auf“, meint er und plädiert in diesen Fällen für den direkten Austausch mit dem Bauherrn. Und das öffentliche Wettbewerbswesen sei ohnehin „volkswirtschaftlicher Wahnsinn“ und sollte für Architekten ein „No-Go“ sein, so Delugan.
Tatsächlich können Wettbewerbe Architekten dazu verführen, Selbstausbeutung zu betrieben. „Wie wäre es sonst erklärbar, dass sich 150 Architekten an einem Wettbewerb für ein 4,5-Millionen-Bauvorhaben beteiligen
und in Summe dabei einen Arbeitsaufwand in der Größenordnung der Baukosten leisten“, fragt sich Wettbewerbsbetreuer Hans Lechner in seinem Buch. Der materielle Aufwand, den Architekten in Wettbewerben leisten, liege weit über dem, was an Preisgeldern und Aufwandsentschädigungen gezahlt werde. Vor allem offene Wettbewerbe seien unter diesem Gesichtspunkt sowie der potenziell großen Zahl an Teilnehmern sehr kritisch zu sehen, führen aber andererseits zu den besten Ergebnissen, meint Lechner.
Direkter Austausch nicht möglich
Einige Erfahrung mit Architekturwettbewerben hat bereits die Wirtschaftsagentur Wien, ehemals Wirtschaftsförderungsfonds der Stadt Wien, in den letzten Jahren gesammelt. In den letzten zwei Jahren hat die
Wirtschaftsagentur vier Wettbewerbe veranstaltet: die Bebauung der ehemaligen Waagner-Biro-Gründe, das Technologiezentrum Aspern sowie den städtebaulichen und den Realisierungswettbewerb für das Neue
Zentrum Kagran. Für letzteren wurden aus 55 internationalen Bewerbern zehn Architekturbüros ausgewählt, gewonnen hat ihn das Wiener Büro Delugan Meissl gemeinsam mit Vasko & Partner (das Architekturjournal wettbewerbe berichtet demnächst ausführlich über diesen Wettbewerb). Fritz Kittel, Immobilienbeauftragter der Wirtschaftsagentur, stimmt der Kritik Delugans zu:
„Der direkte Austausch und die Präsentation der Entwürfe durch jeden einzelnen Architekten ist im Rahmen von solchen Wettbewerben nicht möglich“, bedauert Kittel. Dadurch gehe einiges an Möglichkeiten verloren.
Auf der anderen Seite werde durch die Wettbewerbe, die ja anonym beurteilt werden, aber ein hohes Maß an Objektivität und Qualität gesichert und Kostenunterschiede transparent gemacht, so Kittel. Ökonomisch vertretbar wären Wettbewerbe mit kleinen Teilnehmerfeldern, meint der Ziviltechniker
Lechner. Das aber widerspricht der standespolitischen Forderung nach offenen Wettbewerben, die an einem gewissen Schwellenwert der Errichtungskosten ja auch EU-rechtlich vorgeschrieben werden. „Die Diskussion, ob und wie der Teilnehmerkreis eingeschränkt werden kann und wie groß eine angemessene Teilnehmerzahl sein soll, wird noch intensiv zu führen sein“, so Lechners
Ansage an die Vergaberichtlinien.
Teil der Baukultur
Unbestritten ist die Tatsache, dass Wettbewerbe ein Teil der von allen am Baugeschehen und an der Architektur Interessierten eingeforderten Baukultur sind. Unverzichtbarer Bestandteil der Wettbewerbskultur wiederum ist nach Ansicht des Architekten und Bauingenieurs Hans Lechner die Veröffentlichung des Wettbewerbsergebnisses und sämtlicher Wettbewerbsbeiträge nach Abschluss des Verfahrens, sei es in einer Ausstellung, in einer Print-Publikation oder zumindest im Internet. „Die Veröffentlichung durch den Auslober ist neben dem Preisgeld und dem Auftragsversprechen als Teil der
Belohnung zu sehen“, bricht Lechner eine Lanze für das Architekturjournal wettbewerbe. Wofür wir uns recht herzlich bei ihm bedanken und als Gegenleistung unseren Lesern sein Buch ans Herz legen wollen:
„Wettbewerbe. Abschluss der Projektentwicklung und Beginn der Planung“
Verlag der Technischen Universität Graz.
ISBN 978-3-85125-112-8. Herausgeber: Hans Lechner.
Autoren: Günter Stefan, Florian Hain, Bertram Chiba,
Dieter Koll, Roman Gecse, Bao Phong Phan Quoc.
Erhältlich unter sekretariat.bbw@tugraz.at
Den Artikel können Sie HIERals pdf downloaden