356 Bauwelt

Die Zukunft neu denken

© EMPA

Die Forschungsplattform ReConstruct will gemeinsam mit internationalen Partnern Richtlinien für die österreichische Baustoffindustrie zur nachhaltigen Zukunft des Bauens erarbeiten.

Das herausfordernde EU-Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft bis 2050, zu dem sich Österreich bereits für 2040 bekannt hat, erfordert radikale Veränderungen. Im Fokus stehen dabei Baustoffe und deren Funktionalitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Um all das zu verwirklichen, wurde ReConstruct ins Leben gerufen, als Forschungsplattform zur Zukunft des Bauens in Partnerschaft von WIFO, Sustainserv Zürich/Boston, Center for European Policy Studies Brüssel, Wegener Center an der Universität Graz, gefördert vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie.

Nachfrage nach grünen Baustoffen schaffen
Der Gebäudebereich ist eine besondere Herausforderung für den Klimaschutz. Einerseits gibt es einen gewaltigen Gebäudebestand, der saniert und „klimafit“ gemacht werden muss. Andererseits ist die Bauaktivität enorm hoch und es muss sichergestellt werden, dass neue Gebäude keine Hypothek für die nächsten Jahrzehnte sind. Wesentlich dafür sind neue Energiekonzepte. „Alles, was brennt, muss aus dem Gebäude gebracht werden. Ziel muss die langfristige Speicherung von Energie sein“, meinte Renate Hammer, geschäftsführende Gesellschafterin des Institute of Building Research & Innovation, bei der Präsentation der Plattform. Siedlungenmüssten wie große Energiespeicher betrachtet werden. Dazu müsse man speicherfähige Baustoffe finden. Zweitens müssten die Bodenressourcen geschont werden. „Wir dürfen nicht mehr in die Fläche gehen. Der beste Baustoff ist der, den man nicht braucht“, so Hammer.

Das öffentliche Auftragswesen könne die Nachfrage nach „grünen“ Baustoffen schaffen, dann würden auch deren Kosten sinken, meinte Christian Egenhofer, Leiter des Energy and Climate Programme am Center for European Policy Studies. „Wir sind in einer Zäsur“, bestätigte auch Umweltministerin Leonore Gewessler. Der Green Deal dürfe nicht aus dem Blick verloren werden, auf dem Weg dorthin sei keine Zeit mehr zu verlieren. Klimaschutz sei mehr als ein Ministerium, er betreffe auch die Industrie- und Handelspolitik. Damit neue Gebäude keine Hypothek für die nächsten Jahrzehnte sind, ist auch die Beachtung von Faktoren, die über das Bauen hinausgehen, wie etwa neue Geschäftsmodelle und soziale Fragen, wichtig. In der Diskussion wurden wegweisende Projekte aus der Schweiz vorgestellt, in deren Planung die zukunftsorientierten Konzepte bereits einfließen. In der Schweizer Gemeinde Risch-Rotkreuz entsteht auf einem ehemaligen Industriegelände das Quartier Suurstoffi, ein „Dorf im Dorf“, wo 7000 Menschen leben und arbeiten sollen. Bauen und Mobilität gehen Hand in Hand mit interessanter Architektur und viel Grün. Beim Faktor Energie im Betrieb setzt man auf Selbstversorgung und Effizienz, dafür werden solare Elektrizität, Erdsonden sowie rezyklierte Abwärme eingesetzt.

 

Energie lokal gewinnen
Noch stärker in den Fokus rückt die energetische Transformation des Gebäudesektors und dessen Integration in lokale Multienergienetze sowie die Schließung der Baustoffkreisläufe. Das sind zentrale Features des Projektes NEST, das nahe Zürich als Experiment im Maßstab 1:1 abläuft. Unter Verwendung moderner Technologien werden Einzelgebäude über Gas-, Strom-, Wärmeund Informationsnetze miteinander verbunden. Mehr als 150 Partner vonseiten der Industrie und der öffentlichen Hand sind an dem Projekt beteiligt, schilderte Peter Richner, stellvertretender Direktor des interdisziplinären Forschungsinstituts EMPA. „Damit kann ein Maximum an erneuerbarer Energie lokal gewonnen und verwendet werden. Zudem wird die motorisierte Individualmobilität mit einbezogen – so wird auf eine Neuordnung der gesamten Energiedistribution hingearbeitet“, so Richner.

Klimaschutz bei Investoren angekommen
„Nicht mehr der Baustoff, sondern die Ansprüche an dessen Funktionalität sollten der Startpunkt für weitere Entwicklungen – von Produkten bis zu Geschäftsmodellen – sein. Die Baustoffindustrie kann so zu Gesamtlösungen beitragen“, fasst Stephan Lienin, Managing Partner von Sustainserv, das Zusammenspiel von Innovation, Integration und Inversion unter dem Titel „I-Mindset“ zusammen. Dieser Ansatz bedingt eine verbesserte Zusammenarbeit aller Mitwirkenden entlang der Wertschöpfungskette. Klimaschutz sei jedenfalls auch bei den Investoren oben angekommen, Immobilienfirmen in der Schweiz stellten sich die Frage, wie sie über das Immobilien- portfolio bis 2040 klimaneutral werden könnten.

Forschungsplattform
ReConstruct ist eine Forschungsplattform, die sich mit der Zukunft des Bauens und der Baustoffe befasst. Projektpartner sind: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung WIFO, Wegener Center an der Universität Graz, Center for European Policy Studies Brüssel, Sustainserv Zürich/ Boston und der Fachverband der Steinund keramischen Industrie.

Informationen
rethinkconstruction.net

Der Artikel als PDF