363 Wettbewerbe realisiert Projekte

Transparent, sachlich und elegant

Alle Fotos © Bruno Klomfar
Die Dreiteilung an der Fassade reduziert die Maßstäblichkeit des fünfgeschoßigen Gebäudes.
Alle Fotos © Bruno Klomfar

ORF Mediencampus, Wien / Riepl Kaufmann Bammer Architektur

Aus der von der Stadt Wien gewünschten Übersiedlung des ORF in das Media Quarter St. Marx ist bekanntlich nichts geworden. Stattdessen hatte sich der Stiftungsrat von Österreichs öffentlich-rechtlicher TV-Anstalt im Jahr 2014 für eine Zusammenlegung aller Wiener ORF-Standorte am Küniglberg entschieden. Neben einer Bestands­sanierung des von Roland Rainer geplan­ten, 1976 fertiggestellten ORF-­Zentrums sollten die Redaktionen von Radio, Fernsehen und Online in einem neuen, multimedialen Newsroom gemeinsam „Content“ produzieren können. Protest gegen die Übersiedlung kam von den im Funkhaus in der Argentinierstraße untergebrachten Radiosendern Ö1 und FM4.

Dreiteilung des Baukörpers
Eine adäquate Ergänzung zu Rainers Ikone der österreichischen Nachkriegsarchitektur zu entwerfen war keine leichte Aufgabe. 13 von 15 aus den Bewerbungen für den anonymen Realisierungswettbewerb ausgewählten Architekturbüros hatten Projekte abgegeben, gewonnen hatte im Oktober 2014 das Wiener Architekturbüro Riepl Kaufmann Bammer mit einem zurückhaltenden Entwurf, der laut Juryurteil selbstbewusst darauf verzichtete, den Rainer-Bau übertrumpfen zu wollen. Der im Dezember 2021 fertiggestellte, Ende Juni 2022 – acht Jahre nach dem Wettbewerb – in Betrieb gegangene Medien­campus umfasst die Bauteile Multimedialer Newsroom (MMNR) und die Redaktionsbereiche der Fachressorts sowie die Radiosender Ö3 und Ö1. Ursprünglich als zusätzliche Erweiterung angedacht, wurde der neue Baukörper wegen der fehlenden Umwidmung dort errichtet, wo bis 2019 die Werkstättenhalle stand. Das Gebäude überspannt die darunterliegenden Geschoße der bestehenden Lager und Tiefgaragengeschoße. Das Hauptgebäude ist um einen langen, zentralen Hof angeordnet. Ein gemeinsamer Haupterschließungsweg knüpft an das bestehende Stockwerksystem an und ist ein wesentliches Verbindungsglied. Die vorgehängte glatte Fassade aus Aluminium-Verbund­platten und Glas – in diesem Fall fixe, zweischichtige Verbundfenster mit inte­griertem Sonnenschutz – demonstriert Transparenz. Das fünfgeschoßige Gebäude gliedert sich in einen Sockel, eine transparente Hauptebene und zwei darüberliegende Redaktionsebenen. Durch diese – von der Jury in ihrer Beurteilung gegenüber dem Entwurf stärker geforderte – Dreiteilung wird die Maßstäblichkeit reduziert, der Baukörper wirkt sachlich, klar und elegant.

Die Funktionen
Der Newsroom als Zentrum des Campus ist an die operative Ebene des Standorts angebunden und in räumlicher Nähe zu den TV-Studios des Bestands angesiedelt.
Große Raumhöhe und Stützen im Raster von 15 Metern im Raum erlauben eine offene Organisation. Ein innenliegendes Atrium schafft Bezug zum Außenraum und bringt Tageslicht. Im erhöhten ersten Obergeschoß liegen die offenen Büros des Newsrooms, darüber befinden sich auf einer Galerie­ebene im zweiten Obergeschoß die Redaktionen der Fachressorts mit direktem Kontakt zum Newsroom.
Direkt an der Hauptachse liegt der Zugang zu Ö3. Neben den Produktionsbe­reichen umfasst diese Ebene einen Büro­bereich. Die Verbindungsstiege zum zweiten Obergeschoß, wo sich die Sende­studios befinden, ist mit ihren Sitz­stufen als verbindender Kommunikationsbereich gedacht. Das neue Haus für Ö1 ist über einen Verbindungsgang im Erdgeschoß und eine große Terrasse im ersten Ober­geschoß erreichbar. Die Bürobereiche erstrecken sich über drei Geschoße, vom Erdgeschoß, wo sich auch die Produktion befindet, bis in das zweite Obergeschoß. Durch die zentrale Lage der Produktions­bereiche können diese auch ohne Durchquerung der Bürobereiche extern genutzt werden.
Als Gegenstück zum repräsentativen Teich am Gelände des ORF-Zentrums liegt die Dachterrasse an der inneren Erschließung und spannt sich zwischen zwei Objekten auf. Der Außenbereich ist in den Campus ORF eingebunden.

Projekt
ORF Mediencampus, Würzburggasse 30, 1130 Wien

Bauherr
Österreichischer Rundfunk, Wien

Architektur
Riepl Kaufmann Bammer Architektur GbR (Wien)

Landschaftsplanung
Rajek Barosch Landschaftsarchitektur (Wien)

Tragwerksplanung
Gmeiner Haferl ZT GmbH, Wien

Bauphysik
TAS Bauphysik, Leonding

HKLS/MSR
Zentraplan Planungsges.m.b.H., Wr. Neustadt

Elektro & Fördertechnik
TB Eipeldauer + Partner GmbH, Traiskirchen

Brandschutz
Rabl ZT GmbH, Graz

Projektdaten
Grundstücksfläche: 80.000 m²
Bebaute Fläche: 6330 m²
Nutzfläche: 7500 m²
Bruttogeschoßfläche neu: 17.600 m²

Projektablauf
Wettbewerb 09/2014
Planungsbeginn 01/2015
Baubeginn 12/2019
Fertigstellung 12/2021

Materialien
Außenwände: Closed-Cavity-Verbundfassade Wicona
Fassade: Aluminium-Verbundplatten AluCOBOND
Wärmedämmung: Mineralwolle
Innenwände: Systemtrennwände Lindner
Bodenbeläge außen/innen: Teppichfliesen/Linol Forbo

Wettbewerbsdokumentation: ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE 1/2015 (318)  

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