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Von Blumen und Blättern

© Hertha Hurnaus
Der Bildungscampus „Christine Nöstlinger“ beherbergt einen Kindergarten, eine Volksschule, eine Mittelschule und eine Fachmittelschule.
© Hertha Hurnaus

Bildungscampus Christine Nöstlinger, Wien / Klammer*Zeleny Architekten

Das Areal des ehemaligen Nordbahnhofs nördlich des Pratersterns, einer der Brennpunkte der Wiener Stadtentwicklungsgebiete, wird auf circa 85 Hektar Wohnraum für rund 24.000 Bewohner sowie 20.000 Arbeitsplätze bieten. Nach dem 2010 eröffneten Volksschulcampus „Gertrude Fröhlich-Sandner“ von Kaufmann-Wanas Architekten ist nun mit dem Bildungscampus „Christine Nöstlinger“ bereits der zweite Schulbau auf dem Areal entstanden. Auf einer Grundfläche von 23.000 Quadratmetern, im Bereich Schweidlgasse, Bruno-Marek-Allee und Leystraße, haben die Architekten Julia und Stephan Klammer-Zeleny einen dreiarmig strukturierten Baukörper entworfen, der einen Kindergarten, eine Volksschule, eine Mittelschule sowie eine Fachmittelschule mit zwei Klassen und Räume für Sonderpädagogik beherbergt.

Blume als Baukörper
Der Entwurf ging als Sieger aus einem offenen Architekturwettbewerb hervor, den die Stadt Wien im Jahr 2015 ausgelobt hatte und den das Architekturbüro Klammer*Zeleny gewann. Mit einem Y-förmigen Baukörper, der einen großen Vorplatz an der Tabor­straße bildet, nimmt das Projekt die umgebenden städtebaulichen Strukturen auf. In diesen drei Gebäude­armen, den „Blütenblättern“, sind die Bildungsbereiche untergebracht. Die dreiarmig strukturierte Anordnung des Baukörpers macht die Haupt- und Nebeneingänge der Schultypen klar ablesbar. Die Orientierung für die Schülerinnen und Schüler ist klar und einfach und wird durch differenzierte Raumgrenzen unterstützt. Verwoben sind die Bildungsbereiche durch die gemeinschaftlich genutzten Funktionen.

Nach Betreten der Aula werden die Schüler in drei Richtungen verteilt. Im Erdgeschoß liegen außerdem die Musikschule sowie die sonderpädagogischen Intensivräume, die vom Vorplatz erreichbar sind. Direkt an die Aula sind die offene Bibliothek und der Speisesaal, die Blick und Zugang zum großen Garten haben, sowie der große Veranstaltungssaal angebunden. Die Kleinstkindergruppen mit ihren angrenzenden Spielplätzen verfügen über einen eigenen Nebeneingang aus der Leystraße, von wo auch der Festsaal, Gymnastiksäle sowie die Turnhalle erreichbar sind.

Im ersten Obergeschoß ist die Volksschule mit den Bildungsbereichen, auch „Biber“ genannt, untergebracht. Jeweils drei Biber pro Geschoß sind über drei Stiegen erreichbar. Die Bildungsbereiche haben direkten Ausgang auf die große Dachterrasse. Die Klassenzimmer sind um einen zentralen Multifunktionsraum angeordnet. Im Südostflügel des zweiten Oberge­schoßes sowie im dritten Obergeschoß befinden sich die Bildungsbereiche der Neuen Mittelschule.

Die Freiräume zwischen den Bildungsbereichen besitzen eine gemeinsame Mitte und kleine Nischen als Rückzugsorte. Sie sind verglast und sorgen damit für Licht und einen Außenbezug. Im dritten Geschoß erfolgt die Belichtung durch Oberlichten.

Blätter als Fassade
Im Gegensatz zu den städtebaulichen und räumlich-­funktionellen Qualitäten des Projekts war die Jury unter dem Vorsitz von Dietmar Eberle vom Entwurf für die Fassadengestaltung weniger überzeugt. Sie bemängelte das „Überziehen des interessanten Baukörpers mit einer anonymen Haut“. Für die Architekten zieht sich mit der Ausgestaltung der Fassade mit pulverbeschichteten Alu-Profilen das Thema der Blume, das mit den drei Gebäudearmen als Blütenblätter beginnt, jedoch weiter. Die Fassadenprofile ähneln in ihrer Grundriss­form einem Blatt, spiegelsymmetrisch montiert, sodass die von der Jury bemängelte Haut eine textile, wellige Wirkung zeigt. Je nach Blickwinkel ändert sich so die Wirkung der Fassade.

Ausgehend vom Thema der Campusblume haben sie die drei Blütenblätter sowie den mittleren Stamm in unterschiedlichen Farben gestaltet. Jedem Blatt ist eine Jahreszeit mit ihren spezifischen Farben zugeordnet. Die Übergangsbereiche der Farben verschwimmen und spiegeln den „Übergang der Jahreszeiten“ wider. 

Projekt
Bildungscampus Christine Nöstlinger, Taborstraße 120, 1020 Wien

Bauherr
Stadt Wien, vertreten durch MA 10 – Wiener Kindergärten, MA 56 – Wiener Schulen, MA 13 – Bildung und außerschulische Jugendbetreuung

Architektur
Klammer*Zeleny Architekten, 1050 Wien
klammerzeleny.at

Landschaftsplanung
DI Doris Haidvogl, Wien

Statik
Hnik Hempel Meler ZT GmbH, Wien

Brandschutz
Hoyer Brandschutz GmbH, Wien
hoyer-brandschutz.at

Fotos
Hertha Hurnaus
hurnaus.com

Projektdaten
Grundstücksfläche: 22.990 m²
Bebaute Fläche: 9884,76 m2
Nutzfläche: 17.575,32 m2
Bruttogeschoßfläche: 27.638,22 m2

Materialien
Bauweise: Tragkonstruktion Stahlbeton
Innenwände: Stahlbeton
Fassade: Aluminium-Stabfassade, WDVS, Pfosten-Riege-Fassade
Böden innen: geschliffener Estrich, Industrieparkett, Kautschuk, Fliesen
Böden außen: Drainasphalt, gebundener Steinbelag, Gummigranulat, Holzterrassen

Projektablauf
Wettbewerb 02/2016 (1. Stufe), 05/2016
Planungsbeginn 06/2016
Baubeginn 05/2018
Fertigstellung 09/2020

Wettbewerbsdokumentation: ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE 4/2016 (327) 

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