Ein rundum geglücktes Wohnexperiment nennt die Jury des Awards „Häuser des Jahres 2022“ den verglasten Pavillon ohne Wände in Klausdorf, 60 Kilometer südlich von Berlin, und kürte das Haus mit dem ersten Preis.
Das vom Berliner Architekten, Stadtplaner und Filmemacher Peter Grundmann entworfene Einfamilienhaus liegt auf einem Grundstück am Mellensee, einem beliebten Feriendomizil aus DDR-Zeiten. Es wurde nie bebaut und bis 2016 nicht betreten. In den vergangenen Jahrzehnten wuchsen dort zahlreiche Laub- und Nadelbäume, von denen kein einziger dem Neubau weichen sollte. Dafür wurde das Haus in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und die Räume in die teils engen Nischen zwischen den Bäumen platziert. Um die Baumwurzeln zu schonen und die Bodenversiegelung auf ein Minimum zu reduzieren, wurde das Haus um 1,20 Meter angehoben und auf schmale Doppel-T-Stützen aufgeständert. Darauf lagert eine Bodenplatte aus Beton. Die Deckenplatte aus Holz wird durch schmale Stahlstützen getragen und mit Diagonalstreben ausgesteift.
So ergibt sich eine heterogen geformte Raumstruktur, die sich in den Lücken zwischen den Bäumen ausbreitet. Bewegt man sich durch das Haus, bewegt man sich auch zwischen den Bäumen. Eine umlaufende, teilweise semitransparente Glasfassade umschließt alle Räume des Hauses, das gänzlich ohne Innenwände auskommt. Die Räume stehen in einem größtmöglichen visuellen Kontakt mit dem Wald und den anderen Bereichen des Gebäudes. So kommt es, dass man im Haus auch immer das Grundstück außen bewohnt und umgekehrt.
Im Zentrum befindet sich ein Patio, der als Umgang dient und die einzelnen Räume miteinander verbindet. Statt eines Sonnenschutzes sorgt der dichte Baumbestand im Sommer für ausreichende Verschattung. Im Winter ist die Sonneneinstrahlung gewollt, wenn die Laubbäume Blätter verlieren. Geheizt wird mit einer Luftwärmepumpe.
Komplexe Überlagerungen
Alle Architekturelemente – Stützen, Diagonalstreben, Rahmen, Fassade, Betonfußboden und Holzdecke – sind unverkleidet und liegen offen. Dadurch ergeben sich komplexe Überlagerungen zwischen innen und außen, zwischen den gebauten Räumen und dem gewachsenen Wald, zwischen Konstruktion und Umgebung. Obwohl die Raumstruktur aus dem Kontext abgeleitet und die Konstruktion nach logischen Prinzipien entwickelt ist, lässt sich das räumliche Erlebnis rein visuell nicht entschlüsseln. Je nach Standpunkt geht das Haus im Kontext auf oder wirkt wie eine Verdichtung des Ortes. Es bleibt ambivalent, ob das Haus den Ort oder der Ort das Haus beherrscht.