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© Bloomframe | HofmanDujard

Die Cabriolette-Wohnung

© Flissade

Neue Glaselemente zum Ausklappen, Absenken und als Raumerweiterung unterstützen den Trend zu freiem Wohnen und Arbeiten.

von: Peter Matzanetz

Auf das Thema Freiraum beim Wohnen gültige Antworten geben zu können war zuletzt auch für Planende nicht unwesentlich. Ob es um Umbauten geht oder den Neubau, die vorhandenen Freiräume sind mit der Pandemie stärker in den Fokus gerückt. Mehr Freiraum bei gleichem Platzbedarf zu schaffen kann neuerdings über smarte Fensterlösungen umgesetzt werden. Spezialfirmen oder Start-ups bieten Systeme, die Mehrwert versprechen. Aus der Fassade klappbare Balkone, absenkbare Gartenfronten oder eine integrierbare Loggia sind Beispiele zum Staunen. Für den Einsatz solcher kostenintensiver Extras spricht laut der diversen Hersteller der Raumgewinn und das besser Einbeziehen von angeschlossenem Außenraum.

Sommerbetrieb
Flexibler Wohnraum, der sich im Handumdrehen vom Innen- zum Außenraum wandeln lässt. Das verspricht ein Bausystem namens „Flissade“. Ist das Wetter endlich schön und der Winter dann einmal vorbei, werden die raumhohen Glasfronten aus der Fassade geschoben. Vorne bleibt ein Geländer, während die Glaselemente an der Seite „geparkt“ sind. Die eigentliche Innovation besteht darin, dass ein Raum ins Freie verlagert werden kann. Mittels gekurvter Schienen lassen sich die Glaselemente bis an die Innenseite bringen. In diesem Fall entsteht eine Art Loggia. In Summe ist wechselweise ein Sommer- oder ein Winterbetrieb ein- und desselben Raums möglich. In der kalten Jahreszeit funktioniert der Bauteil ähnlich einem Erker.

Adaptive Fassade
Auch für gewerbliche Nutzer sind Standardanwendungen denkbar: Raucherbereiche oder Meetingräume mit Frischluft ohne strikte Corona-Regeln. Das Wegschieben sei per Hand zu bewerkstelligen. Das offene Raumerlebnis wird mit Barrierefreiheit am Fußboden unterstützt. Für die Energiebilanz am Gebäude ist das laut Hersteller ein Gewinn. Ein bis zu dreifacher solarer Wärmeintrag im Winterbetrieb wird versprochen. Weitere Energieeinsparungen kämen durch die Inklusion des Raumes durch Reduzierung der Wärmebrücken zustande. Dank der verlässlichen Luftdichtheit würde sich Derartiges auch im Hochhaus umsetzen lassen. Insbesondere beim Upcycling von Bestandsbauten wäre ein Mehrwert gegeben. Umgesetzt wurde das in Bayern entwickelte System in Kooperation mit einem Fassadenbauunternehmen. Gründerpreise sowie ein Referenzprojekt in München deuten auf eine gelungene Entwicklung.

Balkon bei Bedarf
Bei Projekten in Amsterdam und in der Schweiz verbaut worden ist ein neuartiger Balkon, der aus der Fassade herausgeklappt wird. „Bloomframe“ ist der Produktname und den renommierten Red Dot Design Award hat man dafür gewonnen. Ungeöffnet ist es ein Fensterelement wie viele andere. Wenn es darauf ankommt, öffnet sich – hydraulisch angetrieben – ein Balkon. Gestaltet wurde das Teil vom niederländischen Architekturbüro Hofman-Dujardin. Dort verweist man auf bedrucktes Glas, wenn es um Sicherstellung der Rutschfestigkeit geht. Der Eurocode 8 wäre die bautechnische Basis. Lieferbar ist das Produkt in drei Varianten, wobei die größte drei Meter Breite aufweist. Die Standard-Einbauhöhe beträgt 2,4 Meter. Mit einem neuen französischen Hersteller soll ab nächstem Jahr die Produktion in größerem Umfang anlaufen.

Komplette Raumöffnung
Für Gastgärten oder die Hotellerie besonders geeignet ist die absenkbare Terrassenverglasung des Schweizer Anbieters „Hirt Moving Architecture“. Dabei wird eine ganze Glasfront in den Boden versenkt. Voraussetzung ist die Unterkellerung, weil dafür ein Raum für die begleitende Technik erforderlich ist. Dichtheit und beste Wärmedämmeigenschaften des Systems werden betont. Die Standardgröße geht bis 40 Quadratmeter Fensterfläche, aber Größeres ginge auch. Die Auf- und Abbewegung des Elements passiert mittels kinetischer Energie. Obwohl hier große Lasten im Spiel sind, kann eine Glasfront theoretisch daher auch per Hand bewegt werden.

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