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Ein Dorf für kleine Menschen

Alle Fotos: © Mark Sengstbratl
Das dreigeschoßige Gebäude führt die Fassadenfront des oberen Kirchenplatzes fort.
Alle Fotos: © Mark Sengstbratl

Elisabeth-Kindergarten, Ried im Innkreis / Urmann Radler Architekten

Das alte Gebäude des Kindergartens in der oberösterreichischen Stadtgemeinde Ried im Innkreis entsprach nicht mehr den zeitgemäßen Standards und diese konnten auch durch Umbauten nicht erreicht werden. Aus diesem Grund lud die Stadt im Jahr 2019 sechs Architekturbüros zu einem anonymen Wettbewerb zur Neuerrichtung eines viergruppigen Kindergartens im Stadtzentrum ein. Sie entschied sich allerdings nicht für den Neubau auf der grünen Wiese, sondern für den bestehenden Standort in der Stadt und somit auch gegen das Absiedeln von so wichtigen Institutionen aus der Innenstadt.
Das Siegerprojekt von Urmann Radler Architekten zeichnete sich dadurch aus, dass das Gebäude der Nutzung als Kindergarten räumlich überzeugend entsprach. Die Architekten legten die innere Struktur so an, dass das Gebäude von den Kindern als Zuhause gesehen und empfunden werden kann. In der Erdgeschoßzone sind die wichtigsten Allgemeinbereiche angeordnet, das zentrale Foyer bietet viel Platz für diverseste Nutzungen und erschließt das Haus auf kurzem Wege. Speisebereich und Mehrzweckraum befinden sich im Nahbereich, wodurch einer kombinierten Nutzung nichts im Wege steht. Im ersten Obergeschoß befinden sich zwei Gruppenräume, wobei jeder Gruppenraum zweiseitig belichtet ist. Der Bewegungsraum orientiert sich nach Norden.
Im zweiten Obergeschoß entfällt der Bewegungsraum, an dessen Stelle tritt ein Gruppenraum. Um auch hier eine optimale Belichtungssituation für die Kinder zu schaffen sowie die nicht ganz optimale Lage im zweiten Obergeschoß aufzuwerten, lässt ein großzügiger Dacheinschnitt morgens Sonne ein, außerdem gibt es eine Dachterrasse als Bonus zum Freibereich.


Das dreigeschoßige Gebäude führt die Fassadenfront des oberen Kirchenplatzes fort, wobei sich die hofseitige Gebäudelinie an die bestehende Nachbarbebauung anlehnt. So ist in Summe ein L-förmiger Grundriss nach historischer Analogie entstanden, der sich im Westen an die bestehende Brandwand des Nachbargebäudes anlehnt und bis zur Abgrenzungslinie gezogen wird. Im Osten übernimmt der Baukörper die existierende Fassadenlinie, wodurch nicht nur die Belichtungssituation im Inneren des Neubaus optimiert wurde, sondern auch eine Verbauung des Nachbars vermieden wurde.
Der eigentliche Haupteingang befindet sich am oberen Kirchenplatz und tritt nach außen als von der Fassadenfront zurück gesetzte Nische auf. Das Zurücksetzen ermöglicht sowohl einen witterungsgeschützten Zugang als auch die Möglichkeit zum Abstellen von Kinderwägen und wenigen Fahrrädern. Von Süden gelangt man über den Außenbereich in das durchgesteckte Foyer, auch hier schützt ein Rücksprung vor Witterung.
Urmann Radler Architekten verstehen das Haus als „Dorf für kleine Kinder“, Gangzonen fungieren als Spiel- und nicht nur als reine Garderobenbereiche, wobei das Stiegenhaus als Fluchtstiegenhaus abtrennbar ist. Die platzseitige Fassade ist als verputzte Lochfassade mit stehenden, unterteilten Fenstern in Form von Alu-­Konstruktionen ausgebildet, durch die unterschiedliche Größe der Öffnungen entsteht ein differenziertes und der Nutzung entsprechendes Fassadenbild. Am oberen Kirchenplatz tritt das Haus dreigeschoßig in Erscheinung. Eine Sanitäranlage im Außenbereich sowie der Abstellraum für Spielgeräte mit Holzfassade bieten den Kindern zusammen mit den Spielgeräten neben den funktionalen Notwendigkeiten eine optimale Grund­lage zur Entfaltung und fügen sich harmonisch in die Park­landschaft ein.
Durch die kompakte Ausgestaltung des Baukörpers in Massivbauweise sowie kurze Wege konnte eine wirtschaftliche Herstellung erzielt werden. Die Trockenbauwände im Inneren sind teilweise mit Echtholzpaneelen verkleidet. 

Projekt
Elisabeth-Kindergarten, Kirchenplatz 20, 4910 Ried im Innkreis

Bauherr
Stadtgemeinde Ried im Innkreis

Architektur
Urmann Radler ZT GmbH, Linz

Tragwerksplanung
DI Weilhartner ZT GmbH, Ried im Innkreis

HKLS
TB Ing. Wolfgang Taus, Ried im Innkreis

Elektrotechnik
Hapec GmbH, Ried im Innkreis

Projektdaten
Grundstücksfläche:
Hauptgebäude ca. 832 m²
Außenspielplatz 1300 m²
Bebaute Fläche: 345 m²
Nutzfläche: Hauptgebäude 963 m², Geräte, WC, ext. Freibereich 25,5 m²

Projektablauf
Wettbewerb 06/2019
Planungsbeginn Sommer 2019
Baubeginn Außenspielplatz 04/2020 Baubeginn Kindergarten 08/2020
Fertigstellung 09/2021

Materialien
Außenwände: Stahlbeton, Ziegel
Fassade: WDVS mit Besenstrich (Putzprofi Celepci)
Wärmedämmung: Hanf (Capatect)
Innenwände: Beton, Trockenbau
Bodenbeläge innen: Gruppenräume Eichenparkett (Raumausstattung Wiesinger), allgemeine Räume Feinsteinzeug (Schönberger Alois Kachelöfen und Fliesen GmbH)
Beleuchtungskörper: XAL
Möblierungen: Resch Möbelwerk­stätten, Leitner Ergomöbel
Sanitärgegenstände: Laufen, HEWI

Wettbewerbsdokumentation
ARCHITEKTURJOURNAL / WETTBEWERBE 6/2019 (347)  

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