Bereits zum achten Mal schreibt das Klimaschutzministerium (BMK) den „Österreichischen Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit“ aus. Bewertet wird die architektonische Qualität von Bauwerken im Bereich des innovativen und nachhaltigen Bauens.
Die diesjährige Ausschreibung ist bis zum 12. Jänner 2024 geöffnet. Einreichfähig sind Gebäude in Österreich, die zwischen 2020 und Oktober 2023 fertiggestellt wurden und sich erstmals für den Staatspreis bewerben. Die eingereichten Projekte werden in einem mehrstufigen Verfahren von einer sechsköpfigen, international besetzten Jury bewertet. Die Preisverleihung findet im Juni 2024 in Wien statt.
Bestandsentwicklung und kreislauffähiges Bauen
Besonderes Augenmerk wird diesmal auf Einreichungen im Bereich der Bestandsentwicklung, zu kreislauffähigem Bauen, zu Neubauten mit besonderer Innovationskraft sowie zu Siedlungen und Quartiersentwicklung gelegt. Im Sinne der Klimaneutralität sind Gebäude mit fossilen Wärmesystemen ausgeschlossen.
Neuer Jury-Vorsitzender
Neuer Vorsitzender der Staatspreis-Jury ist Matthias Hein. Der Vorarlberger Architekt ist zweifacher Preisträger des Staatspreises Architektur und Nachhaltigkeit (2014 Kindergarten Muntlix, 2017 Gemeindeamt Zwischenwasser) und setzt in seiner Arbeit auf breit wirksame Nachhaltigkeitskonzepte (siehe Interview Seite 9). Weitere Mitglieder in der Jury: Barbara Beiglböck (Vasko+
Partner), Robert Lechner (Österreichisches Ökologie-Institut), Bernadette Luger (Stadt Wien), Evelyn Rudnicky (pool Architektur) und Kjetil Trædal Thorsen (Snøhetta Architects).
Abwickler und Einreichstelle ist die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). Fachliche Unterstützung liefert die pulswerk GmbH, ein Tochterunternehmen des Österreichischen Ökologie-Instituts. Unterstützt wird der Staatspreis vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie (WKO), von proHolz Austria und Baumit sowie der Raiffeisen Bausparkasse.
Bauen im Bestand
Der Gebäudesektor kann mit der Nutzung bestehender Gebäudestrukturen dazu beitragen, die Klimaneutralität, die sich die österreichische Regierung als Ziel für 2040 gesetzt hat, vielleicht zu erreichen. Wie beispielsweise das „Stadthaus Linz“ zeigt, der Um- und Zubau eines Bestandshauses, das in seiner Grundsubstanz aus dem 16. Jahrhundert stammt. Geplant vom Linzer Architekturbüro mia2, wurde es zu gewerblich genutzten Räumen sowie neuem Wohnraum saniert und erweitert. Die Aufstockung erfolgte nach ökologischen, ökonomischen und bautechnischen Anforderungen in Mischbauweise. Der Heizwärmebedarf konnte um fast 78 Prozent reduziert werden. Unter anderem gewann das Projekt den ETHOUSE Award 2022 in einer Kategorie sowie den Holzbaupreis 2021.
Das Stadtbaumhaus
Mit dem Thema innovativer städtebaulicher Interventionen befassen sich auch die Architekturbüros smartvoll und O+O Baukunst. Smartvoll steht für ökologische Verdichtung, etwa mit dem „Urban Tree House“. Die Kombination aus Nachverdichtung und Green Building wurde als Dachbodenausbau im 16. Wiener Gemeindebezirk geplant. Es schafft mit seinen begrünten Freiflächen eine „grüne Lücke“ im Stadtraum. Das Gesamtkonzept widerspricht gängigen Optimierungsstrategien: Anstelle eines klassischen Dachbodenausbaus ist das Haus auf dem Gründerzeithaus mit 130 Quadratmetern über drei Stockwerke angelegt. Der Dachstuhl musste weichen, das Stiegenhaus und Feuermauern blieben übrig. In traditionellen Entwürfen hätte man doppelt so viel Baumasse eingebracht, doch hier liegt der Fokus auf Grünraum und Offenheit.
Viel Glas und Holz verstärken den Eindruck einer natürlichen Umgebung. Gebäude wie das Stadtbaumhaus vereinen urbane Lebensqualität für Menschen, aber sind auch Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Urbane Partitur
Mit dem Thema Bauen im Bestand hat sich auch das Architekturbüro Lainer (RLP) aus Wien befasst. Anhand des Projekts Tirol Kliniken in Innsbruck entwickelte Geschäftsleiter Oliver Sterl einen „Masterplan für nachhaltige langfristige Entwicklung durch vertikale Verdichtung im urbanen Raum“. Das Architekturbüro wurde mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, in der es darum ging, im letzten Ausbauschritt 83.000 m² mehr Bruttogeschoßfläche zu erreichen. Dabei sollten die scheinbaren Gegensätze „funktionierendes Krankenhaus“ und „lebenswertes Quartier“ unter einen Hut gebracht werden. „Bevor ich verdichte, muss ich die soziale Attraktivität des Standorts stärken. Das heißt, ich muss mehr Flächen für die Gemeinschaft, mehr Grünräume schaffen“, erläutert Sterl.
Für jeden Schritt der Verdichtung müsse ebenso auch Grünraum eingeplant werden, indem man Strukturen teilweise abreißt, entkernt und hochzieht. „Städtebau hat im Wesentlichen immer mit zwei Dingen zu tun: Orientierung und Identität“, so Sterl weiter. Auf einem Klinikgelände müssen die Zufahrten für Blaulichtorganisationen vorhanden sein, Grünräume können deshalb nur beschränkt auf Straßenniveau entstehen. Die Architekten von RLP planten deshalb einen „schwebenden Park über den Dächern“. So wird die Logistik zu ebener Erde nicht beeinträchtigt. Zusammen mit der Definition von Hochpunkten entstand eine urbane Partitur, die in Zukunft als Grundlage für weitere Ausschreibungen dienen soll. „Stadtstrukturplanung ist keine Frage der Gestaltung, sondern der Haltung zu sozialen und räumlichen Anforderungen“, resümiert Oliver Sterl.