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Evas digitale Versuchung

© Eva Rapid Layouting
© Eva Rapid Layouting

Anstatt ständig Kompromisse zu machen, kann man Dinge selbst in die Hand nehmen. Das dachten sich auch SWAP und Caramel Architekten, die „ihre“ Eva schufen. Das Projekt wird von der Wirtschaftsagentur Wien gefördert.

von: Barbara Jahn

Jeder Architekt weiß es selbst am besten. Manchmal muss es wirklich schnell gehen. Sehr schnell. Und besonders in den ohnehin zeitlich gedrängten Wettbewerbsphasen. Aus diesem Grund entschlossen sich SWAP und Caramel Architekten, gemeinsam eine eigene Software zu kreieren, die in erster Linie als Unterstützung der frühen Entwurfsphase in Architektur und Raumplanung dient. Um schneller Entscheidungen zu treffen und im Entwurf voranzu kommen, werden in einem interaktiven Prozess auf Basis vorhandener Raumprogramme sowie Grundstücksparameter verschiedene An­sätze generiert und auf ihre Plausibilität überprüft. Das spart kostbare Zeit, denn letzten Endes wird dem Planer die Entscheidung für eine Variante, an der dann weitergearbeitet wird, leichter gemacht.

Drei Zutaten
Das Programm besteht aus drei Säulen: Aufbauend auf einer importierten Geo­metrie werden Grundflächen, Bebauungsbestimmungen und Dichtewerte, zum Beispiel Baumassenzahl oder Geschoß­flächenzahl, definiert. Im Bauplatzkon­figurator können über den maximalen Bebauungs­lichtraum verschiedene Bebauungsvarianten ausgetestet werden. Zusätzlich können automatisch generierte Vari­anten manuell weiterbearbeitet werden. Neben einer dreidimensionalen Darstellung werden auch die dazugehörigen Kennwerte aufgelistet. Bei der Anwendung von vordefinierten Wohnbautypologien werden auch die erzielte Wohnungsanzahl und die erforderlichen Kerne ermittelt.

Kommunikationstalent
Mit dem Raumprogramm-Manager von Eva kann man Raum- und Funktionsprogramme – etwa .xls oder .cvs-Dateien – importieren. In tabellarischer oder grafischer Form können Räume kategorisiert und verknüpft werden, Belichtungsanforderungen angegeben und einzelne Räume und Raum­gruppen den Ebenen zugeordnet werden. Zusätzliche Räume können im Programm ergänzt beziehungsweise nicht mehr benötigte Räume entfernt werden. Das Raumprogramm ist verknüpft mit dem Grundrissgenerator. Die grafische Darstellung kann aber auch exportiert werden und in einem CAD-Programm weiterbearbeitet werden.

Schnell ans Ziel
Im Grundrisskonfigurator werden aufbauend auf dem sortierten, auf Ebenen bezogenen Raumprogramm und dem Gebäudegrundriss erste Varianten dargestellt. Durch direkte Interaktion lassen sich leicht unterschiedliche Raumordnungen in Echtzeit überprüfen. Die Einzelräume werden mit Erschließungen verknüpft, Raumgruppen und Belichtungsangaben berücksichtigt. Der Grundrisskonfigurator kommuniziert mit dem Bauplatzkonfigurator, entstehende Kubaturen können schnell überprüft werden. Danach lassen sich die einzelnen Ebenen exportieren und in anderen CAD-­Programmen weiterbearbeiten.­

Am Puls der Zeit
Dass mit dem Programm der Nerv der Zeit getroffen wurde, zeigt die Auszeichnung mit dem Staatspreis Architektur in der Kategorie Digitalisierung. Die Jury hob hier besonders das Potenzial hervor, das in digitalen Tools steckt und die schöpferische Kraft keinesfalls mindert, sondern – im Gegenteil – unterstützt. Gelobt wurde vor allem der kreative Ansatz, mit dem der fortschreitenden Digitalisierung im Planen und Bauen begegnet wird. 

Caramel Architekten im Interview  

Was war der entscheidende Moment, an dem Sie beschlossen, ein eigenes Computerprogramm zu entwickeln?
Die vielen Stunden, die wir zu Beginn eines Wettbewerbs damit verbracht haben, verschiedene Raumanordnungen auszuprobieren, waren schon lange als optimierbar erkannt. Parallel dazu haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, aus den städtebaulichen Vorgaben in kurzer Zeit unterschiedliche Bebauungsstudien auszu­testen, die im Gegensatz zur analogen Herangehensweise alle vorgegebenen Parameter automatisiert einhalten. Nach vielen Gesprächen und einer langsamen Annäherung an das Thema war uns dann klar, dass wir es versuchen wollten. Als wir dann noch ein passendes Förder­programm der Wirtschaftsagentur Wien fanden, fiel die Entscheidung rasch.

Was war Ihre Erwartung an ein Programm, das Ihren Vorstellungen entsprechen würde?
Wir wollten uns einer Bauaufgabe auf einfache und angenehme Weise nähern und einen raschen Überblick über die Möglichkeiten erarbeiten, um dann zielgerichtet eine konkrete Lösung auszuarbeiten.

Wurden diese Erwartungen erfüllt?
Nicht alles hat geklappt. Die Vorstellungen haben sich auch im Laufe der Arbeit gewandelt. Teilweise sind während der Entwicklung auch gänzlich neue Funktionen erkannt und mitgenommen worden.

Was macht Eva so besonders?
Die Interaktivität, die Kombination aus Automatisierung und manueller Arbeit. Die Reaktionszeit war uns besonders wichtig. Es sollte nicht so sein, dass man eine halbe Stunde auf das Ergebnis warten muss. Es werden demnach rasch Lösungen vorgeschlagen. Diese haben dafür noch ausreichend Optimierungspotenzial, mit maßgeschneiderten Funktionen kann man die Lösungen dann überarbeiten und in eine eigene Richtung bringen.

Auf den Punkt gebracht: Was sind die drei größten Vorteile von Eva?
Mehr Planungsvarianten in kürzerer Zeit, tieferes Verständnis für die Bauaufgabe und Verminderung unliebsamer, repetitiver Arbeit.

Bietet Eva über die Architekten hinaus auch noch für andere Berufsgruppen Verwendung?
Es ist eine sehr spezialisierte Software. Das Baumassenmodul ist aber auch für die Erstellung von Bebauungsplänen und für Immobilienentwickler interessant.

Wie sieht es aus mit Updates? Ist Eva mit allen Systemen kompatibel?
Statt Eva in ein oder zwei Umgebungen zu integrieren, haben wir uns entschlossen, es als Stand-alone-Programm zu entwickeln. Die Kompatibilität liegt in der Verwendung von Austauschformaten wie DXF, DWG und IFC. Zurzeit sind wir gerade dabei, das Programm für eine Open-Source-­Veröffentlichung vorzubereiten. Einige kostenpflichtige Komponenten müssen herausgelöst werden. Dafür hat dann jeder die Möglichkeit, eigene Erweiterungen einzubringen.

Wo kann man lernen, mit Eva umzu­gehen und das Programm einzusetzen?
Es gibt einige Videos und die Hilfeseiten. Bei Interesse wurden auch schon Seminare angeboten.

Wie haben Sie – Caramel und SWAP – eigentlich zusammengefunden?
Früher oder später läuft man sich über den Weg. Konkret hat die Zusammen­arbeit bei einer Nachbesprechung zu einer Lehrveranstaltung auf der TU Wien begonnen.

Würden Sie es noch einmal machen? Was ist Ihr persönliches Resümee?
Es ist immer lehrreich, sich so detailliert mit einer Aufgabenstellung auseinanderzusetzen. Der Versuch, die eigene Herangehensweise und Erfahrung zu automatisieren, bringt auch viel latentes Wissen zum Vorschein. Ist es erst mal externalisiert, kann es kritisch hinterfragt, erweitert oder auch verworfen werden. Eine fast spirituelle Erfahrung.

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