Ausgerechnet eine Platzgestaltung war Michelangelos erster größerer Architekturauftrag. Jahrzehnte, nachdem das Universalgenie den David geschaffen und die Decke der Sixtinischen Kapelle bemalt hatte, beauftragte ihn Papst Paul III. Farnese 1537, einen der berühmtesten, aber auch am meisten verwahrlosten Plätze Roms auf dem Kapitol neu zu gestalten. Als Dreh- und Angelpunkt des antiken Roms spielte der Ort bis ins Mittelalter eine bedeutende politische Rolle. Hier versammelte sich der römische Senat und tagte die weltliche Stadtregierung Roms als Gegenspieler der päpstlichen Macht. Hintergrund der Neugestaltung war der geplante Rombesuch Kaiser Karl V. Bis dahin war das Kapitol nur ein Schatten der Vergangenheit. Als schlammig beschreiben es Zeitgenossen und auch die umliegenden Bauwerke waren in desolatem Zustand. Michelangelos Auftrag lautete, im Sinne der repräsentativen Gesamtwirkung auch den Senatoren- und den Konservatorenpalast einzubeziehen. Politisch richtungsweisend war die Neuausrichtung des trapezförmigen Platzes, in dessen Zentrum das antike Reiterstandbild Marc Aurels thront: Um dem bedeutsamen Ort eine klare Orientierung zu geben, fügte Michelangelo ein drittes Gebäude hinzu, den Palazzo Nuovo. Durch diese dreiseitige Einfassung des Platzes deutet die Blickachse über die offene Stirnseite symbolisch hin zum Vatikan als Sitz der Päpste und – nach deren Rückkehr aus dem Exil in Avignon – neuen Herrscher Roms. Vom Respekt vor den Plänen Michelangelos zeugt die lange Baugeschichte des Kapitolsplatzes. Nach seinem Tod wurde seine Planung ohne nennenswerte Änderungen schrittweise vollendet. Den Abschluss fanden die Arbeiten erst 1940 durch die Pflasterung aus dunklem Basalt mit dem prägnanten Sternenmuster aus hellem, römischem Travertin.
Nutzung und Pflege berücksichtigen
Die Hintergründe moderner Platzgestaltungen scheinen weniger vielschichtig, ihre Umsetzung ist aber keinesfalls anspruchslos. Der Ausgleich der Kräfte findet zwischen Individualverkehr und Fußgängern statt, konsumfreier Erlebnisraum versus kommerzielle Nutzbarkeit lautet die andere Paarung. Auf Basis der Novelle der österreichischen Straßenverkehrsordnung von 2013 werden Verkehrsstraßen in Begegnungszonen umgewandelt. Die aktuellen Planungen verfolgen das Ziel der Verkehrsberuhigung und Entschleunigung der Bereiche, in denen der Individualverkehr mit Autos bislang den Vorrang hatte. Urbane Freiräume sollen dadurch nicht vollständig vom Verkehr ausgenommen werden, sondern statt eines Gegeneinanders allen Nutzern ein gleichberechtigtes Miteinander erlauben. Damit dieses Miteinander das Belagsmaterial nicht unter Stress setzt, folgen Planer klaren Vorgaben, die sich vielerorts bewähren. Neben dem tragfähigen Untergrund und einer ausreichenden Plattenstärke sind es Details wie allseits gestrahlte Seitenflächen, die für eine gute Verzahnung des Platten-Fugen-Systems sorgen. Weitere Faktoren für erfolgreiche Pflasterungen sind Materialien mit kurzen Transportdistanzen. Neben geringen Umweltbelastungen beim Transport bieten regionale Materialien – im Falle des Pflasters vorwiegend Granit und vergleichbare Hartgesteine – den Vorteil, dass Planer und Auftraggeber die Abbaustellen jederzeit besichtigen und prüfen können. Regionale Materialien mit gut dokumentierten und sorgfältig erschlossenen Abbaustellen bieten auch den Vorteil, dass Nachlieferungen und Ergänzungen langfristig gesichert sind.
Begegnungszonen Radstadt und Wien
Seit Herbst 2017 führt eine Begegnungszone durch den Ortskern von Radstadt. Die Gestaltung auf Basis eines Bürgerbeteiligungsmodells umfasst Wohn-, Geschäfts- und Gastronomiebereiche. Als dauerhafte Grundlage für Fußgänger, Autos, Radfahrer und den Busverkehr dient eine Pflasterung aus Waldviertler Granit in ungebundener Bauweise. Zum Einsatz kamen 5000 Quadratmeter Herschenberger Granit aus der Nähe der Stadt Gmünd. Entscheidend bei der Materialentscheidung waren ökologische und wirtschaftliche Erwägungen, denn ein heimischer Granit erzeugt weniger CO2 beim Transport, hält die Wertschöpfung im Inland, ist widerstandsfähig gegenüber den klimatischen Einflüssen nördlich der Alpen und lässt sich wegen seiner Dauerhaftigkeit nach einem Rückbau problemlos wiederverwenden.
Vergleichbare Argumente gelten für die Rotenturmstraße in Wien, die bis November 2019 in eine Begegnungszone umgewandelt wird. Die stark frequentierte Geschäftsstraße im 1. Wiener Gemeindebezirk verbindet den Stephansplatz mit dem Franz-Josefs-Kai. Bislang plagte sich ein dichter Strom von Fußgängern, Pkw und Fiaker-Fuhrwerken durch die beidseitig von Parkflächen verengte Straße. Nach Abschluss der Arbeiten überspannt eine Kombination aus Pflasterflächen und mittiger Betonfahrbahn die gesamte Freifläche.
Aufgrund der guten Erfahrungen in der Kärntnerstraße und am Stephansplatz erhält auch die Rotenturmstraße ein Pflaster aus mehr als 6000 Quadratmetern österreichischer Granite. Nach Entwürfen des Wiener Architekturbüros Katzberger werden die drei Granite Herschenberger, Mardetschläger und Hartberger verlegt. Beim großformatigen Pflaster ist eine Mischung der Granite angedacht, um das Verlegemuster zu betonen und so einen lebendigen und durch die Dominanz von Herschenberger und Mardetschläger hellen Charakter zu erzeugen. Entlang der Hausfassaden hebt sich eine Bistrozone mit kleineren Plattenformaten aus dunklerem Hartberger Granit optisch ab. Die Randeinfassungen zur Fahrbahn sind ebenfalls in Hartberger vorgesehen. Für eine gute Verzahnung, gute Rutschfestigkeit und sanfte Anmutung sind alle Steine gestrahlt. Zwei Brunnen aus Waldviertler Granit, eine Baumallee und zahlreiche Sitzbänke werden zur Aufenthaltsqualität beitragen.
Ein Platz aus privater Schatulle
Einen ungewöhnlichen Hintergrund hat der 2017 neu gestaltete Brunkebergstorg-Platz im Zentrum von Stockholm. Während der Belle Époque war der Platz Mittelpunkt des gehobenen Bürgertums. In den 1970ern jedoch führten Umbaumaßnahmen zu einer allmählichen Vernachlässigung der Umgebung, bis Investoren den Platz neu entdeckten und sich neue Hotels und Gastronomiebetriebe ansiedelten. Um für dieses Ambiente eine angemessene Kulisse zu schaffen, machten die Investoren Druck auf die Stadt, das Areal wieder aufzuwerten. Einer der Geldgeber – ein schwedischer Pensionsfonds – stellte die Mittel für die Neugestaltung aus eigener Tasche bereit und gab dem Platz mit Bohus-Granit von der Westküste Schwedens eine hochwertige Erscheinung.
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