370 Wettbewerbe
Alle Modelllfotos: © Türtscher
Modell Siegerprojekt Architekt Bernado Bader
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Sozial- und Handelszentrum Wolfurt

Architekt Bernardo Bader überzeugte die Jury mit den städtebaulichen Qualitäten seines Projekts in Holz-Beton-Hybridbauweise.

von: Redaktion

Die Marktgemeinde Wolfurt erstreckt sich weitgehend entlang der Landesstraße L3 als Hauptverkehrsader. Aufgrund der Tatsache, dass es historisch zwei Siedlungsschwerpunkte – Rickenbach und das Kirchdorf – gab, wurde aus politischen, aber auch verkehrstechnischen Gründen entschieden, viele ­Infrastrukturen wie Schule, Veranstaltungsräume und die Verwaltung in der Mitte – im Strohdorf – anzusiedeln. Das hat zu einer Verunklarung in der Ortsstruktur geführt.

Nunmehr soll der Fokus auf das gewachsene Zentrum bei der Kirche gelegt werden. Es ist vorgesehen, diese Orts­mitte mit den erforderlichen Infrastrukturen auszustatten und zu stärken, sodass sie als Kulminationspunkt der Gemeinde das erkennbare Zentrum bildet. Dazu sind zahlreiche bauliche, wirtschaftliche, aber auch verkehrstechnische Schritte vorgesehen.

Der Ortsteil Kirchdorf als Zentrum der Marktgemeinde Wolfurt soll in den nächsten Jahren baulich und wirtschaftlich weiterentwickelt werden. Die Grundstücke befinden sich an der Landesstraße L3 Bützestraße und Unterlinden sowie der Gemeindestraße Lauteracher Straße. Auf diesen findet der erste Schritt des Wettbewerbs statt. Hier sollen das Sozialzentrum der Hofsteiggemeinden Wolfurt, Kennelbach und Schwarzach (Pflegeheim mit angeschlossenen Diensten), ein deutlich größerer Nahversorger, ergänzende Handelsbetriebe und zusätzlich eine betreute Wohngemeinschaft bzw. Flächen für Praxen, Büros und Dienstleistungsangebote ermöglicht werden.

1. Rang
Projekt 08

bernado bader architekten Bregenz

Gegründet 2003
bernardobader.com

Selbstverständlichkeit und Gelassenheit

Sieger wurde der Vorarlberger Architekt Bernado Bader mit einem Projekt, das zuallererst aufgrund seiner städtebaulichen Qualitäten überzeugte, die sich durch ein hohes Maß an Selbstverständlichkeit und Gelassenheit auszeichnen. Das Projekt steht in Kontinuität mit der offenen Bebauung Wolfurts mit einzelnen, frei stehenden Häusern, indem es das Programm in zwei einfache Baukörper gliedert, die am Platz und an der Straße stehen. Mit der Zweiteilung wird diese Raumfolge auf das Areal verlängert und mit dem rückwär­tigen Garten verknüpft.

Die Freistellung der Häuser schafft zudem eine Beziehung zu den verschiedenen Freiräumen. Der innere Aufbau und die Nutzungsverteilung in den beiden Häusern sind von ähnlicher Selbstverständlichkeit wie die städtebauliche Setzung. Im größeren Haus finden sich im Erdgeschoß kompakt angeordnet der Markt, das Bistro sowie der Eingang und Mehrzweckraum der Pflege. Die Adressierung erfolgt zum Platz, wirkt aber immer auch übereck in die Tiefe des Raums.

Rückwärtig befinden sich die Tiefgarageneinfahrt, die Anlieferung sowie die Zentralküche. Im ersten Obergeschoß sind die Verwaltung und die Pflege mit Zugang zum hier ansetzenden zentralen Hof untergebracht. Die einfache Grundform des Hauses in Verbindung mit dem großzügigen mittigen Hof erlaubt eine übersichtliche und einfache Raumorganisa­tion mit steten Bezügen in den Außenraum. Die Wohnbereiche in Verbindung mit einer großen Eckloggia sind einmal zum Platz, einmal zum Garten hin orientiert – Innenraum und Dorfraum werden damit sinnfällig und schön verknüpft.

Auch das kleinere Haus hat seine Adresse am Platz. Über eine Eingangshalle erreicht man ein mittiges Atrium, in dem sich die Vertikalerschließung befindet. Seitlich liegen zwei Verkaufsflächen und zum Garten hin befinden sich die Räume der Sozialdienste. Das erste und zweite Obergeschoß bieten Raum für Drittnutzungen (Praxen), das oberste Geschoß nimmt das betreute Wohnen auf.

Das Projekt schafft es, das umfangreiche Programm in zwei kompakten Solitären unterzubringen und unterscheidet sich damit wohltuend von sämtlichen anderen Projekt­vorschlägen, die ortsbaulich schwierige, mehrheitlich (zu) großmaßstäbliche „Komplexe“ vorschlagen.

„Methodik des Findens anstatt des Erfindens“

Bernado Bader (*1974) vereint sein Bewusstsein für Regionalität mit einer detaillierten handwerklichen Präzision. Funktionen: seit 2012 Fachbeirat für bau- und raumrelevante Fragen des Landes Vorarlberg; in mehreren ­Gestaltungsbeiräten tätig, u. a. Salzburg und Dornbirn. Er leitet seit 2023 den Masterstudiengang Architektur und Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München.

AUSLOBUNG

Ausloberin
Marktgemeinde Wolfurt
Schulstraße 1, 6922 Wolfurt 

Durchführende Stelle
Bauamt der Marktgemeinde Wolfurt

Verfahrensbetreuung/Vorprüfung
DI Manfred Werner Türtscher, Dornbirn 

Art des Verfahrens
Nicht offener, einstufiger Realisierungswettbewerb nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes i.d.g.F. (BVergG) für öffentliche Auftraggeber für den Oberschwellenbereich 

Gegenstand des Wettbewerbs
Objektplanung Architektur für den Neubau eines Sozial- und Handelszentrums in der Marktgemeinde Wolfurt

Beurteilungskriterien
Städtebauliche Grundidee: städtebauliches Gesamtkonzept; Gliederung und Gestaltung der Freiflächen; Einbindung in das ortsbildliche Umfeld; Anbindung und Wegeführung;  baukünstlerische Qualität der äußeren Erscheinung und des Innenraums
Funktionalität: Vollständigkeit und funktionale Organisation des Raumprogramms
Verkehrserschließung, Parkierung: Einhaltung der Erschließungsvorgaben hinsichtlich der Anlieferungen und der Tiefgaragenzufahrten. Funktionalität der Fahrradabstellanlagen und der Tiefgarage
Wirtschaftlichkeit in Errichtung, Betrieb und Erhaltung
Energetisches und ökologisches Konzept
Einhaltung der Auslobungsvorgaben
Berücksichtigung baurechtlicher Rahmenbedingungen  

Preisgericht (ohne Titel)
Sachpreisrichter:
Christian Natter, Altbürgermeister
Wolfgang Dittrich, Bauamtsleiter
Markus Schadenbauer, Projektentwicklung Hohenems
Architekt Elmar Nägele, Dornbirn 

Fachpreisrichter:
Architekt Rainer Köberl, Innsbruck, Vorsitzender
Architektin Anne Beer, München, stv. Vorsitzende
Architekt Christian Müller Inderbitzin, Zürich
Architekt Josef Fink, Bregenz, Schriftführer
Architekt Dietmar Eberle, Lustenau 

Reihung und Preisgelder
1. Rang: bernado bader architekten € 50.000,–
2. Rang: AllesWirdGut Architektur  € 40.000,–
3. Rang: Dorner\Matt Architekten € 30.000,–

3 Anerkennungspreise:
ARTEC, Caramel architekten, ­Johannes Kaufmann und Partner je € 15.000,–

Preisgerichtssitzung
24.02.2023