Über 50 Prozent der Weltbevölkerung leben in urbanen Räumen. Das bedeutet einerseits viele Vorteile für Lebensqualität, Mobilität und Bildungsmöglichkeiten und stellt andererseits den Bereich Stadtplanung bzw. -erweiterung vor stetige Herausforderungen. Denn mit der steigenden Bevölkerungszahl ist auch die Infrastruktur mehr beansprucht, Wohnraum wird zur Rarität und öffentlicher Raum gerät häufig in den Bereich von Immobilienspekulation.
Wichtig ist es also, im Blick zu behalten, was das ideale Ziel der Stadt ist, nämlich ein allgemein zugänglicher Raum zu sein, der zentrale Bedürfnisse nach Wohnen und Arbeiten erfüllt, aber vermehrt auch Erholung und Stressreduktion mitbedenkt. Grünraum, öffentlicher Raum und freie Flächen, lange Zeit stetig reduziert, werden wichtiger. Städte sollen Auswirkungen des Klimawandels abfedern, außerdem nachhaltig, sozial und leistbar sein.
Dazu bedarf es eines vielschichtigen Ansatzes, der über die Grundlagen des Verkehrsmanagements, der Raumoptimierung, des öffentlichen Verkehrs und des öffentlichen Raums hinausgeht.
Seilbahnen: Transportwege der dritten Ebene
Aktuell gewinnt Stadtplanung mit Seilbahnen viel Zuspruch. Neben dem klassischen Einsatz im alpinen Gelände gelten urbane Seilbahnen als Transportwege in der dritten Ebene – neben Straßen und Untergrundbahnen. „Subways in the Sky“, nannte der Economist das Transportmittel.
Eine Studie des Projekt- und Gebietsentwicklers BPD (Bouwfonds Immobilienentwicklung), erstellt in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt und dem Architekturbüro UNStudio aus Amsterdam, zählt positive Auswirkungen urbaner Seilbahnen auf. Dieses Verkehrsmittel bringt keine Luftschadstoffe und geringe Lärmbelastung mit sich. Es gilt als barrierefrei und nicht diskriminierend, verursacht kaum Bodenversiegelung und wirkt geografischer Trennung von Stadtgebieten entgegen.
Topografische Höhenunterschiede, Gewässer, Straßen, Gleisfelder oder Industrieareale sind problemlos zu überwinden. Der CO2-Fußabdruck einer Seilbahn ist deutlich geringer als der von konventionellen Systemen. Seilbahnen können mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Studie nennt zahlreiche weitere Argumente zugunsten von Stadtseilbahnen. Betont wird, dass die Mitwirkung der Bevölkerung bei der Planung ausdrücklich verlangt wird.
„Wie bei jedem Infrastruktur- oder Neubauprojekt ist die Partizipation der Bevölkerung bei der Planung und Umsetzung von wesentlicher Bedeutung“, so Han Joosten, Leiter Gebietsentwicklung bei BPD. „Und natürlich müssen auch Verkehrsgesellschaften und kommunale Verkehrs- und Planungsabteilungen frühzeitig in Diskussionen einbezogen werden. Das Fazit unserer Studie: Die Seilbahn sollte in Machbarkeitsstudien für urbane Mobilitätskonzepte miteinbezogen werden.“
Erfahrung in der 3. Ebene
Lateinamerikanische Städte setzen schon lange auf Seilbahnen, die in das öffentliche Verkehrssystem eingebunden sind. Mit der Verbindung unterschiedlicher Stadtquartiere entsteht auch eine soziale Komponente. Metrolinien leisten zwar faktisch dasselbe, aber die Seilbahn scheint eine zusätzliche Dimension in den öffentlichen Transport zu bringen. Das Seilbahnnetz in La Paz (Bolivien) verbindet mit über 30 Kilometern Gesamt- länge und zehn Seilbahnlinien die Stadt mit der Nachbarstadt El Alto. Täglich nutzen über 300.000 Menschen das Transportmittel.
Auch Europa interessiert sich zunehmend für die Transportwege der dritten Ebene. In Paris soll eine Stadtseilbahn 2025 fertiggestellt werden. Vom Nordosten des Flughafens Paris Orly führt „Câble A“ mit fünf Stationen und Anschluss an Metro und Bussystem in 17 Minuten in das südöstliche Stadtzentrum. Die Förderleistung soll 1600 Personen pro Stunde betragen. Eine Stadtseilbahn gehört auch in Amsterdam, ebenso wie in Namur, immer wieder zu den Diskussionspunkten in der Stadtplanung. Gegen das übliche Verkehrschaos möchte auch die Stadt Heidelberg mit einer Seilbahn vorgehen, ebenso Bonn und Frankfurt.
In Wien wird das Thema seit 2012 immer wieder diskutiert. Eine Stadtseilbahn soll Heiligenstadt über vier Stationen – Heiligenstadt, Donauinsel Nord (Jedlesee), Strebersdorf und Kahlenberg – mit dem Kahlenberg verbinden. Die Fahrzeit wird mit 20 Minuten berechnet, in 115 Kabinen sollen jeweils zehn Personen Platz finden. Durch eine Verlängerung der U-Bahn-Strecke U4 durch die Seilbahn nach Floridsdorf soll eine Verbindung zum öffentlichen Verkehr hergestellt werden.