Es ist immer noch der absolute Lebenstraum der Österreicher: das Einfamilienhaus mit einem eigenen Garten rundherum, vielleicht ein Pool und gerne auch ein Gemüsebeet. Wenn auch die Nachbarn halbwegs nett sind, ist die Idylle perfekt. Nun, dank einer Pandemie hat sich dieser Wunsch nach Grund und Haus, weit weg von der Stadt, noch weiter verstärkt. Die Nachfrage nach Baugrundstücken im Speckgürtel der Städte und weit darüber hinaus ist laut Immobilienmaklern stärker denn je. Verständlich und schwierig zugleich, denn eigentlich sollte der Trend eher zum Verdichten vorhandener Strukturen gehen und nicht zur weiteren Ausdehnung. Doch bei genauerer Betrachtung sind Verdichtung und ein eigenes Domizil sehr wohl miteinander vereinbar. Die möglichen Profiteure sind dörfliche Strukturen, die ohnehin sehr leiden oder vielleicht sogar schon brachliegen. Sie könnten eine Renaissance erleben, belebt durch den Durst der Städter nach frischer Luft, Tradition, Bodenständigkeit und Beschaulichkeit. Zählt man zu den Glücklichen, die ein Grundstück oder ein passendes Bestandsobjekt gefunden haben, geht es an die Umsetzung, das Projekt „Landleben“ auch nach eigenen maßgeschneiderten Vorstellungen zu realisieren.
Für das große Lebensprojekt, das durch sämtliche Phasen des Lebens begleitet, empfiehlt es sich, sich einem professionellen Partner anzuvertrauen, der nicht nur mit Erfahrung, sondern auch mit Sinn für Gestaltung und dem Blick über den Tellerrand hinaus punkten kann. Der Architekt fungiert hier in der Rolle des Übersetzers, der die Vorstellungen und Wünsche des Bauherrn in eine dreidimensionale und in einem Guss durchkomponierte Sprache bringt, die das Heute mit dem Morgen auf vielschichtige und intelligente Art verbindet, auf die der Blick des Laien zunächst in der ersten Euphorie vielleicht noch nicht gefallen ist. Klar ist, dass jedes einzelne Projekt – groß oder klein – eine Herausforderung ist, für beide Seiten. Und nebenbei angemerkt: eine sehr schöne.
Vom Traum zum Raum
Einem geflügelten, flotten Spruch nach gehört neben Kind und Baum Hausbauen zu den wichtigsten Lebensaufgaben eines Menschen. Wer das schafft, der hat es geschafft. Doch es bleibt ein Thema, das polarisiert. Nicht nur bei den Bauherren, sondern auch bei den Architekten.
Dynamischer Prozess
„Der Reiz an der Aufgabe, ein Einfamilienhaus zu planen, liegt für uns im Dialog mit dem Auftraggeber, in dem Diskurs, der sich durch die Planung zieht, und der Möglichkeit, für jeden Bauherrn immer wieder neue, individuelle Lösungsansätze zu finden“, sagt Architektin Julia Hauthaler von Atelier Gitterle. „Die Ideen und Vorstellungen der Bauherren werden mit den Gegebenheiten vor Ort und der Kreativität und Erfahrung verwoben und ergeben so ganz neue, überraschende Ideen für das zukünftige Heim. Hierbei kommt es nicht selten zu ausführlichen Diskussionen, bei denen andere Wege vorgeschlagen und alte Vorstellungen neu ausgelegt werden.“ Um den dynamischen Prozess weiß auch Architekt Michael Aigner von Steinkogler Aigner Architekten Bescheid: „Ein Einfamilienhaus muss zu seinen Bewohnern passen, es repräsentiert sie nach außen. Es kann dabei aber keine starre Momentaufnahme sein, sondern muss Veränderungen aushalten können. In Einfamilienhäusern steckt sehr oft in sehr konzentrierter Form die grundlegende Architekturauffassung des Architekten. Diese darf sich jedoch nicht gegen die Bewohner richten, weshalb nicht jeder Architekt für jeden Bauherrn bauen kann.“ Es ist wohl eines jener Dinge, wozu beide Seiten von Beginn an bereit sein müssen.
Der Mehrwert eines vom Architekten geplanten Einfamilienhauses liegt stets im Auge des Betrachters. Die Zugänge sind dabei so vielfältig, wie es Architekten gibt, die dennoch alle das gleiche Ziel haben: den Bauherrn glücklich zu machen. Um das zu erreichen, braucht es viel Fingerspitzengefühl – einerseits für den Charakter und die Ideen des Gegenübers, andererseits für den Bauplatz und dessen unmittelbare Umgebung. Kurz: Es sind viele Dinge, die ein Architekt unter einen Hut bringen muss.
Für Architekt Jan Proksa ist die Psychologie in der Betreuung des Bauherrn der entscheidende Knackpunkt: „Ein Haus ist ein gemeinsames Kind, das entsteht. Und jeder will sein Kind so haben, dass es seinen Vorstellungen entspricht. Diese können sich oft von der Ästhetik und Funktion des Denkens eines Architekten unterscheiden. Es ist eine große Herausforderung, dass am Ende beide mit dem Ergebnis zufrieden sind.“ Dabei darf man gleichzeitig nicht anstehen, sich immer wieder selbst kritisch zu hinterfragen, meint Architekt Oliver Steinbauer, für den auch die Gefühlsebene miteinzubeziehen ist: „Die Hauptaufgabe liegt darin, ein Projekt zu formen, das nicht nur den Wünschen des Bauherrn und den wirtschaftlichen Vorgaben entspricht, sondern das Projekt zusätzlich mit etwas schwer zu Definierendem zu ergänzen: mit Emotion und Leidenschaft. Das ist ein Anspruch, den nicht nur die Bauherren an mich, sondern besonders ich auch an mich selbst stelle.“ Eine Balance also zwischen Vernunft und Vorfreude zu schaffen – kann das gelingen? Ja, wenn man alles im Blick behält. „Eine besondere Herausforderung beim Einfamilienhausbau ist sicher auch die Tatsache, dass man als Architekt zumeist vom Anfang bis zur Fertigstellung im Boot ist und nicht, wie sonst oft üblich, nur mit Teilleistungen konfrontiert ist. Somit ist es immer auch eine besondere Verantwortung, ein Hausbauprojekt in der Umsetzungsphase begleiten zu dürfen“, streicht schließlich Architekt Hannes Bernhard Eggl die Bedeutung des Architekten in seiner Rolle hervor.
Apropos Emotion: Die Chemie muss stimmen – ein ungeschriebenes Gesetz für Projekte dieser Art. Warum das so ist? Für Architekt Dietmar Eberle von Baumschlager Eberle Architekten ist die familiäre Situation des Auftraggebers der Dreh- und Angelpunkt, diese Bauaufgabe überhaupt meistern zu können. Schließlich ist Architektur von Menschen für Menschen gemacht. Jan Proksa weist hier auf die zarten Zwischentöne hin: „Das verwendete Geld für den Bau wird in funktionale und ästhetische Qualität investiert. Nicht nur in ein Haus. Dieses Bedürfnis – nach etwas mehr – haben nur bestimmte Menschen. Und das ist auch in Ordnung so.“ Während Michael Aigner schätzt, dass man weiß, mit wem man es zu tun hat, und darin klar ein großes Plus sieht – „Bei einem Einfamilienhaus hat man ein Gegenüber, das einem bekannt ist, man plant nicht für einen anonymen Nutzer“ –, sieht Oliver Steinbauer den Horizont noch weiter hinausgehen: „Für mich ist es der direkte Kontakt und die maßgeschneiderte Planung für die Auftraggeber. Fast immer entwickelt sich daraus mehr als nur eine Geschäftsbeziehung – im Idealfall entsteht eine Freundschaft und eine Begleitung des Einfamilienhauses über die Fertigstellung hinweg. Zu sehen wie ein Projekt bewohnt wird, sich Kinderzimmer füllen, macht mir unglaublich Freude und gibt Kraft für weitere Projekte. Ich persönlich versuche niemals einen Bauherrn für die Beauftragung eines Architekten zu überzeugen. Vielmehr erkläre ich, worauf es aus meiner Sicht ankommt, welche Spielregeln – wie etwa flache Hierarchien und der direkte Kontakt – mir wichtig sind, und versuche ein gemeinsames Ziel zu visualisieren. Meist zeigt sich dann sehr schnell, ob wir die richtigen Partner für diesen, zugegeben meist fordernden und langen, Weg sind oder auch nicht.“
Dabei gestalterisch aus dem Vollen zu schöpfen ist und bleibt der Traum der Architekten. Die X Architekten konzipieren schon seit 30 Jahren Einfamilienhäuser. „Die Möglichkeit, immer aufs Neue architektonische Maßanzüge entwickeln zu können, ist für uns nach so langer Zeit immer noch eine sehr attraktive Herausforderung. Die Häuser sind sehr speziell und bereichern die Möglichkeiten, Räume zu gestalten, Formen, Materialien und Technologie anwenden zu können“, freut sich Architekt Lorenz Prommegger, für den die Arbeit am Beginn unter dem Gesichtspunkt steht, aus den vielen Startbedingungen die bestmögliche grundsätzliche Idee zu entwickeln. „Diese Idee muss alle Chancen und Schwierigkeiten integrieren können und ermöglicht nach dem Motto ‚Das Ganze ist mehr als die Summe der Dinge‘ darüber hinaus einen unerwarteten Wow-Effekt.“ Doch darf ein Einfamilienhaus keinesfalls eine Momentaufnahme sein, wie Julia Hauthaler einwirft: „Wir sehen es als unsere Aufgabe, das Einfamilienhaus weiter in die Zukunft zu denken. Um alle Eventualitäten im Leben abzudecken, stellen sich Auftraggeber ihr Traumhaus zu Beginn der Planung mitunter sehr großzügig vor. Daraus resultieren im Alter durch den Auszug der Kinder leider auch Leerstand und ungenutzter Raum, der sogar zur Last fallen kann. Baugrund wird immer teurer und rarer, daher ist es wichtig, achtsam mit der Ressource Fläche umzugehen. Die Planung sollte es ermöglichen, mit geringem Aufwand bei Zu- und Umbauten auf verschiedenste Lebenssituationen reagieren zu können.“
Das Um und Auf für die Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Architekt ist das persönliche Vertrauen, wie es Dietmar Eberle auf den Punkt bringt. Was er dem für den Bau eines Einfamilienhauses Geneigten empfiehlt, ist ständige Kostenkontrolle. Ganz nach dem Motto „Strenge Rechnung, gute Freunde“. „Die Zusammenarbeit über die gesamte Projektlaufzeit hat den Vorteil, dass die Architekten die Beschaffung der Bauleistungen sowie die Überwachung der Baustelle und die Abrechnung der Bauleistungen an zentraler Stelle mitbetreuen. Dadurch laufen das gesamte Projektwissen und die Handlungskompetenz über einen kleinen Personenkreis mit minimierten Schnittstellen“, unterstreicht Lorenz Prommegger. „Alleine über die daraus oft erreichbaren Kostenvorteile im zweistelligen Prozentbereich sind die Planungskosten finanzierbar. Das ist ein wirtschaftlich schlagendes Argument für die Beauftragung von Architekten.“
Auch Hannes Bernhard Eggl betrachtet den Architekten als ersten Ansprechpartner für Bauherren, der diese umfassend in sämtlichen Fragestellungen rund um das Bauvorhaben berät: „Gemeinsam findet man den roten Faden für das jeweilige Projekt und konzipiert den optimalen Ablauf. Man erörtert Vor- und Nachteile der Bauweise, der haustechnischen Möglichkeiten oder der unterschiedlichen Oberflächenmaterialien.“
Die Argumente für den Architekten liegen damit auf dem Tisch. Und was sollte der Bauherr mitbringen? „Je besser Bauherren über ihre Bedürfnisse Bescheid wissen, desto besser kann man auf diese eingehen. Neugierde, die Bereitschaft, fixe Vorstellungen über Bord zu werfen, und die Offenheit, sich auf Unerwartetes einzulassen, sind eine gute Basis für den Start in ein Bauvorhaben“, meint Michael Aigner. Jan Proksa spricht noch einen weiteren wichtigen Punkt an: „Dass alle Phasen vom Architekten abgedeckt werden, also nicht nur der Vorentwurf, sondern auch die Ausführungsplanung, die Örtliche Bauaufsicht etc. Im Idealfall wirkt ein Architekt, der für den gesamten Entwurf zuständig ist, auch bei der Inneneinrichtung mit.“ Hannes Bernhard Eggl fasst es treffend zusammen: „Das Wichtigste beim Hausbauprojekt ist zweifellos, sich ausreichend Zeit für die Planungs- und Bauvorbereitungsphase zu nehmen. Je klarer und detaillierter die Planung im Vorfeld stattfindet, umso weniger Überraschungen und Probleme gibt es während der Bauführung. Nur eine vertiefte Ausführungsplanung mit allen erforderlichen Details sichert eine technisch einwandfreie und gestalterisch saubere Umsetzung zu. Eine derartig umfassende Planung und Abwicklung ist üblicherweise nur von ausgebildeten Architekten zu erwarten. Daher rate ich jeder Bauherrschaft, die sich für eine Individualplanung interessiert, den Gang zum Architekten zu wagen.“ Das Schlusswort hat Lorenz Prommegger: „Die ständige Begleitung und konstante Umsetzung des Konzeptes in der mehrjährigen Planungs- und Bauphase durch die Architekten stellt sicher, dass diese qualitative Ebene am Weg nicht verloren geht. Das ist wichtig, denn es geht um das gebaute Haus, das Endresultat.“
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- Frühlingserwachen
- Duftendes, raues Holz