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Von Hand geformt

© hehnpohl architektur bda, Münster
Die Fassade ist aus Handformziegeln, die im traditionellen Ringofenverfahren gebrannt wurden, vorgemauert.
© hehnpohl architektur bda, Münster

Haus am Buddenturm, Münster / hehnpohl architektur

Ein prägnantes, modernes Wohnhaus zwischen Fachwerkhäusern unterschiedlichen Alters einzufügen erfordert Fingerspitzengefühl und Mut. Den Mut aufgebracht zu haben, dafür wurde das Architekturbüro hehnpohl aus München mehrfach ausgezeichnet. Ihr Haus am Buddenturm in der Altstadt von Münster erhielt nicht nur einen Sonderpreis in der Kategorie „Bauen im historischen Kontext“ im Rahmen des ­Deutschen Ziegelpreises 2019 oder den best architects Award 2020 in der Kategorie Einfamilienhäuser. Als „Haus des Jahres 2019“ wurde es auch vom Deutschen ­Architektur Museum und dem Callwey-­Verlag preisgekrönt.
Der Buddenturm ist eines der letzten sichtbaren Zeichen der ehemaligen Stadtbefestigung von Münster. Das neue Wohnhaus ist 2018 in der Buddenstraße, in der Nähe des Turms, fertiggestellt worden. Auf der einen Straßenseite stehen giebelständige Häuser, auf der anderen vorwiegend traufständige Gebäude. Die Reihe der giebelständigen Häuser ergänzten die Architekten mit einem monolithisch wirkenden Baukörper mit hoch aufragendem, steilem Satteldach, der in seiner Fassade ein differenziertes Spiel von Flächigkeit und Tiefe aufweist. Der strenge, straßenseitige Giebel mit seiner rotbraunen Klinkerhülle fügt sich in Maßstab und Form ein, fällt jedoch durch skulpturale Akzente bei der Behandlung der Gebäudeöffnungen und durch die interessanten Vorsprünge in der Fassade auf. Das komplexe Innenleben des Wohnhauses entwickelt sich von einem Multifunktionsraum im Erdgeschoß über vier Geschoße hin zum Licht von oben im Dachraum.

Handformziegel
Die Straßenfassade hat in jeder der drei Ebenen eine Öffnung. Im Erdgeschoß als geschlossene Fassade aus Kupferpaneelen, die mit ihrem Rhythmus aus vertikalen Fugen keinen Einblick in das Innere des Hauses zulassen. Im ersten Obergeschoß weist die Öffnung einen tiefen Fassaden­einschnitt auf, das Fenster ist mit einer Eckverglasung nach der Art eines nach innen gestülpten Erkers ausgeführt. Im Innenraum schließt hier eine Sitzbank an, von der aus der Blick in die Tiefe der Straße und auf den Buddenturm möglich ist. Dieser Ausblick wird auch im zweiten Obergeschoß durch eine großzügige Öffnung mit einem geringeren Fassadeneinschnitt ermöglicht. Die drei Öffnungen der Fassade sind nicht achsensymmetrisch auf der Fassade angeordnet und weisen unterschiedliche Proportionen auf – auch hier besteht eine Analogie zu der Fassadengestalt mittelalterlicher Gebäude.

In Anlehnung an die Altstadt wurde für die Vormauerung der Fassade ein Handformziegel im Format 256 x 90 x 43 Millimeter verwendet. Dieser verdankt sein rustika­les Aussehen dem Brand nach dem traditionellen Ringofenverfahren. Dabei stehen die Ziegel, und die brennende Kohle bewegt sich langsam an den Ziegeln entlang, was zu individuellen Verfärbungen, Ansengungen und Anbackungen führt. Für das im Läuferverband erstellte Mauerwerk wurden alle Steine des Brandes verwendet, es gab keinen Verschlag. Der Mörtel wurde frisch in frisch verfugt. Anschließend wurde die Fassade nur abgefegt, um die Spuren der handwerklichen Erstellung nicht zu beseitigen. Die Außenwände sind zweischalig mit Kerndämmung ausgeführt.

Die Staffelung der Fassade zeigt sich auch im Innenraum. Im Bereich des Stiegenhauses fächert sich das Haus geschoßweise zum Tageslicht auf, das durch eine traufseitig Dachverglasung in das Haus gelangt. Auch an der anderen Traufseite und im Firstbereich ermöglichen Dachverglasungen den Einfall von indirektem Licht in die Wohngeschoße. Dadurch entstehen in allen Wohnräumen von der Jahres- und Tageszeit modulierte, feine Raumstimmungen. Die Materialität des Innenraumes ist von örtlich geschaltem Sichtbeton geprägt, dessen rauer Charakter bewusst ohne weitere Oberflächenbearbeitung erhalten geblieben ist. Als Bodenbelag sind auf Lagerhölzern gelegte, massive, geölte Eichen­dielen verwendet worden – so entstand ein „Barfußboden“ mit einem leicht schwingenden Gehgefühl.

Projekt
Haus am Buddenturm, Buddenstraße, Münster (D)

Bauherr
Privat

Architektur
hehnpohl architektur bda, (Münster / D), hehnpohl.de

Statik, Wärme- und Schallschutz
Wiening Ingenieurgemeinschaft, Warendorf

Projektdaten
Bebaute Fläche: 105 m²
Bruttogeschoßfläche: 285 m²
Nutzfläche: 218 m²

Projektablauf
Planungsbeginn 10/2015
Baubeginn 12/2016
Fertigstellung 09/2018

Materialien
Fassade: Terca-Vormauerziegel Linaqua Vino Ringofenklinker (Wienerberger)
Dachziegel: Meyer-Holsen DachkeramikAuszeichnungen

1. Preis Häuser des Jahres 2019
Deutscher Ziegelpreis 2019: Sonderpreis Bauen im historischen Kontext
Iconic Award 2019:
Best of Best Innovative Architecture
best architects 20
Shortlist DAM-Preis 2020

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