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Wo sich Facility-Management als Krisengewinnler erweist

© Stadt Linz, Stadtplanung Pertlwieser
Die Revitalisierung der Tabakfabrik Linz gilt als geglückter, partnerschaftlicher Prozess.
© Stadt Linz, Stadtplanung Pertlwieser

Viele drängende aktuelle Probleme, die sich jetzt auf einmal systemisch lösen lassen, zeigen auf: Die „Kultur der Kooperation“ gehört mindestens so gepflegt wie die „Kultur des Vereinfachens“.

von: Rudolf Preyer

Brauche ich diese (Büro)flächen überhaupt noch? Viele Unternehmen stellen sich jetzt – aus bekannten Gründen – unangenehme Fragen. Auch hat das Facility-Management (FM) mit neuen Problemen zu tun. „Es ist gut möglich, dass manche Leistungsum­fänge im Facility-Management nie mehr so werden, wie sie dereinst waren“, bringt es Harald Steinberger von der immovement Management Consulting GmbH auf den Punkt. In puncto Hygiene gehe es um „die neue Distanz“, einige Reinigungsfirmen bringen in der Pandemie Extrabroschüren heraus unter dem Motto „Vom Shutdown zum sicheren Comeback“. In der FM-Industrie – immerhin hierzulande an die 18 Milliarden Euro schwer – laufen also schon die Köpfe heiß und die Tastaturen – vornehmlich jetzt im Homeoffice – klackern: Es braucht neue Konzepte.

Probleme über Probleme
So mancher Betreiber hätte gerne seine Anlagen „total“ zurückgefahren, was aber „juristisch wie technisch ein Nonsens“ sei, so Hardwig Wilfinger, Inhaber von real.FMW. Man bewege sich hier im Spannungsfeld zwischen den gesetzlichen Vorgaben und den notwendigen Sparmaß­nahmen. Am Beispiel eines neuerlichen Hochfahrens der Warmwasseraufbereitung: Rein rechtlich bedürfte es dafür tatsächlich einer Neugenehmigung. Weil der Rattenschwanz an rechtlichen Problemstellungen gar nicht abzusehen sei, empfehle sich daher ein Notbetrieb, so Wilfinger. Klar ist jedenfalls auch für diesen Sparbetrieb: Der Gesetz­geber hat keine der Betreiberpflichten ausgesetzt.

So gehören die Wasseranlagen nach wie vor alle 72 Stunden gespült – gegen die Legionellengefahr. Das muss also erledigt werden, auch wenn das Hotel keinen Gast beherbergt. „Der Wasserverbrauch ist aktuell eher nicht zurückgegangen, sondern tendenziell sogar gestiegen.“ Bemerkenswert. So geht ein Mitarbeiter durch alle Zimmer, dreht die Hähne auf, macht seine Runde weiter, und wenn er nach 20 Minuten wieder zurück von seinem Rundgang ist, dreht er wieder ab. Hier tut sich aber auch schon der nächste Problemkreis auf: das Personal.

Junge an die Front!
Steinberger: „Die Generation der Babyboomer führt in vielen großen Unternehmen das Facility-Management – für Wartungen aber schicken sie naturgemäß die Jungen ,an die Front‘.“ Wenn Fachpersonal lange und langwierig aufgebaut werden muss, haben sich infolge Kurzarbeit (und womöglich Entlassungen) regelrechte Wissensabflüsse ergeben. Schon vor Corona war die Fluktuation im FM enorm, jetzt stellt sich die Frage: „Wie kann sich das Know-how überhaupt in den Strukturen festsetzen?“ Junge Mitarbeiter werden daher immer öfter per „Predictive Mainte­nance“ angeleitet, erklärt der FM-Experte gegen­über diesem Magazin, das heißt bei Routineprozessen wie bei Wartungen greife man zunehmend auf digitale Methoden zurück: Der entsprechende Mitarbeiter hat dann eine „digitale Brille“ auf und über In-Ear-Kopfhörer bekommt er von der Zentrale zu hören, was er zu tun hat. Die Strabag etwa verwendet heute schon standardmäßig die Mixed-Reality-Brille Microsoft HoloLens. Solcherart fällt jedoch auch wieder mehr Verantwortung auf den Objektleiter zurück. Steinberger, auch Vorstandsmitglied der Facility Management Austria, verwendet in diesem Zusammenhang das hässliche Wort vom Burn-out, das „da und dort schon im Kollegenkreis“ falle. Einen Ausweg sieht er im „nordischen Prinzip“.

Skandinavische Kooperationskultur
In skandinavischen Ländern werde viel mehr über partnerschaftliche Übereinkommen denn über stetige Ausschreibungen gearbeitet, um Qualitätslevels zu halten. Hierzulande freilich sei der Ruf nach dem Anwalt schnell zu hören, „früher haben die Verträge 25 Seiten gehabt, jetzt sind das schon um die 80 Seiten“.

Aktuell beobachtet Steinberger, dass in der Corona-Zeit immer mehr Auftraggeber diese Problematik verstanden haben: Wichtiger werde daher nicht das Preisargument, sondern eine aufrichtige Gesprächsbasis. Hier leistet sich Steinberger, der seit 20 Jahren im Geschäft ist und sich im Rahmen der Donau-Universität Krems mit praktischen Projekten beschäftigt, einen Schlenker in Richtung Zertifizierungen: „Selbst wenn ich einen falschen Prozess zertifiziere, ist es trotzdem ein falscher Prozess.“ Denkt Steinberger aber an geglückte, partnerschaftliche Prozesse, fällt ihm etwa die Linzer Tabakfabrik ein, „dort wurde schon in der Entwurfsphase mitgedacht, wie das Gebäude in der fertigen Ausbaustufe optimal für die Dienstleister funktionieren kann.“ (Beiseite gesprochen: Eine Selbstverständlichkeit, sollte man annehmen – dem ist aber nicht so; gerade beim Reizthema Betriebskosten wird immer noch nicht durchgehend auf Transparenz gesetzt.)

Am Ende: Zuversicht
Ein weiteres Best-Practice-Beispiel ist das Med Campus Modul 2, das zum Beginn des Wintersemesters 2022 fertig wird – hier werden die Dienstleister bereits 2021 an Bord sein. Auch die Wien Holding war im Lockdown nicht untätig: Direktorin Sigrid Oblak weist darauf hin, dass die Beteiligungsgesellschaft der Stadt Wien das Digitalisierungslevel vieler Unternehmen der Holding „einheitlich nach oben gezogen“ habe. Und Michael Resch, Geschäftsführer von BIMexperts, weist den Weg hin zur „transparenten Echtzeit-Einsicht in laufende Objektkosten“. Zuversichtlich stimmt jedenfalls das Resümee von Harald Steinberger: „Ich gehe davon aus, dass wir im FM besser aus der Corona-Zeit herauskommen, als wir reingegangen sind.“ 

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